Schlecht beraten

Die Stiftung Warentest untersuchte, wie Banker bei Anlagenberatungen mit ihren Kunden umgehen. Enttäuschendes Ergebnis: mangelhaft

Um das Fazit vorwegzunehmen: Wer sein Geld in Aktien und Fonds anlegen will, sollte seinem Banker tief in die Augen schauen – und sich dennoch nicht blind auf ihn verlassen. So jedenfalls könnte man umschreiben, was die Stiftung Warentest bei ihrer Untersuchung von Bankdienstleistungen erlebt hat und publizierte: „Die Testpersonen bekamen bei 25 unterschiedlichen Kreditinstituten häufig eine schlechte Anlageberatung.“ Nur zweimal konnten die Tester das Qualitätsurteil „gut“ vergeben (BBBank, Berliner Volksbank).

Mit einem vermeintlichen Geldanlageproblem ließen sich 38 Warentest-Mitarbeiter in 175 Geschäftsstellen von 25 Banken und Sparkassen einen Beratungstermin geben. Der Kunde wollte jeweils sein 63.000 Mark umfassendes Vermögen gut investiert wissen. Untersucht wurde, ob die Berater die individuelle Lage des Ratsuchenden hinreichend berücksichtigten, ob die Empfehlung sinnvoll mit dem Wünschen des Kunden vereinbar war, wie umfassend informiert wurde sowie die Begleitumstände des Gesprächs.

Große Mängel stellte man bei der Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse fest: 95 Prozent der Kundenberater fragten weder nach laufenden Krediten oder Schulden, 35 Prozent interessierten weder etwaige vorhandene Geldanlagen noch die Erfahrung des Kunden mit Wertpapieren. Nur in 14 Fällen nutzten die Berater einen Erfassungsbogen, mit dem nach dem Wertpapierhandelsgesetz die wichtigsten Angaben des Kunden festgehalten werden. „Für eine gute Bewertung musste der Bogen nicht zwingend ausgefüllt oder schematisch abgefragt werden.“ Es hätte genügt, die wichtigen Sachverhalten „irgendwie zu ermitteln“, heißt es in der Auswertung. Manche Berater kündigten an, die wichtigsten Daten erst dann zu dokumentieren, wenn es zu einem Vertragsabschluss komme. „Doch damit wird das Anliegen des Wertpapierhandelsgesetzes praktisch auf den Kopf gestellt“, so die Stiftung Warentest.

Auch hinsichtlich des Aspektes, inwiefern der Berater die individuellen Anlagenziele des Kunden bediente, waren die Tester nicht zufrieden mit den Banken. Die empfahlen zuweilen, erst mal abzuwarten, „wie sich der Aktienmarkt“ entwickeln würde. Denn einen Spezialfall hatte man eingebaut: Der Kunde hatte bereits in einen China-Fonds investiert, den er monatlich mit weiteren Raten ausbaute. Jedem Berater hätte, egal wie vertraut er mit dem chinesischen Markt ist, „klar sein müssen, dass der China-Fonds-Anteil für das Ziel Altersvorsorge viel zu riskant ist“, meinen die Tester. „Allein das Wort China hätte Warnzeichen genug sein müssen.“ Doch 22 Prozent wollten sich dazu überhaupt nicht äußern. Generell kam hinzu, dass der Berater bei rund 90 Prozent der Gespräche Informationen zu den Kosten der Geldanlage nur allgemein und mündlich weitergab. „Sehr gute Noten hätte es gegeben, wenn der Kunde sowohl mündlich als auch schriftlich über Anlagestrategie sowie laufende und einmalige Kosten aufgeklärt worden wäre.“

Die Begleitumstände der Beratung hingegen fanden die Tester „bei fast allen bewerteten Gesprächen in Ordnung“. Doch auch hier gab es Ausnahmen: Teils mussten die Ratsuchenden auf gut Glück in die Filiale gehen, weil eine Terminvereinbarung nicht möglich war, teils gab es trotz eines Termins Wartezeiten zwischen 10 und 40 Minuten. In einem Fall musste der Kunde sogar ein zweites Mal vorsprechen, weil beim ersten Mal keiner der Banker Zeit für ihn hatte. Dabei fand nur gut ein Drittel der Gespräche in einem separaten Zimmer statt. Im Schalterraum einer Filiale der Dresdner Bank (Eigenwerbung: „Die Beraterbank“) wurde die Kundin zwar 75 Minuten lang ausführlich beraten – allerdings am Schalter und im Stehen.

Den Bundesverband deutscher Banken ficht all dies nicht so sehr an. Eine Sprecherin kannte zwar die Untersuchung, meinte aber fälschlicherweise, es seien vor allem Privatbanken unter die Lupe genommen worden, mithin keine Volks- und Raiffeisenbanken oder Sparkassen. Man prüfe, ob es generell Fehler im Beratungssystem gebe, schränkte aber ein, es könne sich ja auch um eine „Momentaufnahme“ gehandelt haben. An anderen Orten zu andern Zeiten könnte alles schon wieder ganz anders aussehen. Zudem seien die untersuchten Banken keine Hausbanken der Tester gewesen, würden sie doch „bei eigenen Kunden ganz anders reagieren“. Zu einer generellen Kritik am Vorgehen der Stiftung Warentest allerdings mochte man sich nicht hinreißen lassen.

Das beobachtet man auch bei der Stiftung Warentest: Die große Schelte blieb aus. Das war beim letzten Test dieser Art vor zwei Jahren noch anders. Damals ging es im Nachhinein hoch her, weil die Banken das Prüfverfahren und seine Seriosität in Fragen stellten, so Uwe Döhler aus dem Haus der Berliner Warentester. „Die Bankenwelt zweifelte diesmal den Test nicht per se an.“ Die Diskussion über die Testmethode habe man durch. Im Gegenteil sind die Betroffenen offenbar recht kleinlaut und wollten allenfalls diskret oder offen die Namen der bemängelten Banken, der jeweiligen Berater und womöglich die der Testpersonen erfahren, um die Fälle zu prüfen. Damit hatten sie aber keinen Erfolg: „Solche Daten geben wir nicht heraus, um die Beteiligten zu schützen“, verspricht Döhler.

Dass die Testergebnisse von interessierter Seite ganz anders interpretiert werden, darauf hat man bei der Stiftung Warentest allerdings keinen Einfluss. Vor allem freie Finanzberater, so ist zu beobachten, nehmen die Bankenkritik zum Anlass, sich selbst als die besseren Ansprechpartner in Sachen Investment darzustellen – was „aus der Untersuchung aber nicht abzuleiten ist“, kritisiert Uwe Döhler: „Davor müssen wir warnen.“ ANDREAS LOHSE

Anlageberatung durch Banken. Untersuchung der Stiftung Warentest, in: „Finanztest“, 5/2000, 7 Mark. Bezug am Kiosk oder bei der Stiftung Warentest, Vertrieb, Postfach 81 06 60, 70523 Stuttgart (plus 3 Mark Versandkosten)