Jetzt hat Clement die Wahl

Der knappe Ausgang der Landtagswahl nährt die Spekulationen über einen Koalitionswechsel in Düsseldorf. Schon einmal läutete der Machtwechsel in NRW einen Machtwechsel im Bund ein

BERLIN taz ■ So richtig im Glück kann sich tatsächlich nur Jürgen Möllemann fühlen. Alle anderen haben verloren. Kräftig. Die SPD fuhr ihr schlechtestes Ergebnis seit 1962 ein, die Grünen sind im Landtag zur vierten Kraft geworden. Die gemeinsame Mehrheit der bisherigen Regierungspartner ist so zusammengeschrumpft, dass der Ausgang der Koalitionsverhandlungen in Düsseldorf noch spannend werden dürfte.

Angesichts eines Landtagswahlkampfs, der ohne Themen ausgekommen ist, haben viele Analytiker in den letzten Wochen den Blick weit zurück in die Geschichte gerichtet: Sie erinnerten daran, dass in den Sechzigerjahren der Machtwechsel in Bonn durch eine sozialliberale Koalition in Nordrhein-Westfalen vorbereitet worden war. 1980 war dieses Bündnis zu Ende – und zwei Jahre später dann auch die Zeit der SPD-geführten Bundesregierung. Läutet jetzt der Erfolg der FDP also das Ende von Rot-Grün ein? Auch auf Bundesebene?

Wer mit wem: Die Frage nach möglichen Koalitionen beherrscht die allermeisten Wahlkämpfe. Meist geht es im Zusammenhang damit aber auch noch um die Frage nach dem Inhalt von Politik. Bei allen koalitionären Gedankenspielen in Nordrhein-Westfalen waren diese Überlegungen aber ausschließlich im Blick auf die Machtfrage von Bedeutung: Gewinnt Bundeskanzler Gerhard Schröder zusätzlichen Handlungsspielraum, wenn er mehr als einen möglichen Koalitionspartner hat? Oder destabilisiert ein Koalitionswechsel in Düsseldorf die rot-grüne Bundesregierung?

Von Nordrhein-Westfalen war im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf nur selten die Rede. Allenfalls vom Filz an Rhein und Ruhr, der nach 34-jähriger SPD-Herrschaft auch eingefleischte Sozialdemokraten erbittert. Aber die CDU hat sich nicht mehr als die Partei empfohlen, die mit eisernem Besen kehren könnte.

Alle Bemühungen der Opposition, Flugaffären und WestLB auf eine Stufe mit dem Finanzskandal der Ära Kohl zu stellen, blieben vergeblich. Sie kann damit zufrieden sein, dass das Ergebnis der Landtagswahlen von 1995 gehalten werden konnte.

Eigentlich hätte es für Politiker in Nordrhein-Westfalen ja durchaus noch andere Gesprächsthemen gegeben als Filz und Skandale. Kein anderer westdeutscher Flächenstaat hat in den letzten Jahrzehnten vor einer vergleichbaren Herausforderung gestanden wie das bevölkerungsreichste Bundesland, in dem es einen tief greifenden Strukturwandel zu bewältigen galt, der noch längst nicht abgeschlossen ist.

Wo also steht das Land heute? Dafür hat sich im Wahlkampf kaum jemand interessiert. Die Opposition warb mit dem Thema Bildung um Stimmen. Aber allzu deutlich war dem ehemaligen Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers anzumerken, dass er mit der Kampagne „Kinder statt Inder“ eher auf dumpfe Gefühle als auf Konzepte setzte. Er hat seine eigene politische Zukunft nun wohl hinter sich. BETTINA GAUS