„Der Durchbruch ist da“

Berlin macht große Schritte auf dem Weg zur Hauptstadt der neuen Medien.Die Tagung „monomedia“ sollte dieser Entwicklung Rückenwind geben

Eine Website haben sie noch nicht. „E-Popstars“ sind sie trotzdem, das kann man sogar auf ihren T-Shirts nachlesen. Lukas Cottrell, Sascha Prosek und Dominik Pietsch sind E-Professionals, wie sich Profis für elektronische Medien im Fachjargon nennen. Vor zwei Monaten haben die Twens in der Hauptstadt ihr eigenes Projekt ins Leben gerufen, die E-Popstars.

„Wir sind kein Unternehmen, sondern eine knowledge community“, beschreibt Cottrell das Ziel des Clubs, der sich Projekt- und Forschungsarbeit in der neuen Medienbranche auf die Fahnen geschrieben hat. Statt Mitarbeitern gibt es Mitglieder. Etwa 25 davon sitzen in Berlin, 50 weitere in San Francisco. Dazu kommen noch einmal doppelt so viele, die in das Netzwerk der E-Popstars eingebunden sind.

In Berlin fanden die Popstars neuer Machart am Wochenende ein Forum für ihre Ideen. Unter dem Titel „monomedia“ trafen sich mehrere hundert Experten aus dem In- und Ausland an einem Zentrum der E-Avantgarde, der Berliner Hochschule der Künste (HdK). Sie hatten sich vorgenommen, in Workshops, bei Frühstücksgesprächen und Podiumsdiskussionen den Einfluss der neuen Medien auf nicht monetäre Werte zu diskutieren.

Alle Medien, erklärt Konferenzleiter Willem Velthoven die Namensgebung „monomedia“, seien integrale Bestandteile eines gemeinsamen Organisationssystems und seiner Prozesse. Es sei daher unmöglich, an dem veralteten Verständnis von Medien als einzelnen Einheiten oder einer Mixtur derselben festzuhalten.

Auch bei den E-Popstars spielt die Vernetzung eine zentrale Rolle: Willkommen ist im Club jeder, der eine Empfehlung von anderen Mitgliedern oder deren Bekannten vorweisen kann. Wer als Computerexperte nach Berlin kommt und dieses Kriterium erfüllt, kann gleich einsteigen. Von einem Arbeitskollektiv aber will Cottrell nicht sprechen. Auf Hierarchien verzichten die E-Popstars nicht ganz. Verschiedene Grade der Mitgliedschaft sollen die Qualität der Projekte garantieren. Die E-Popstars stellen Räume und Infrastruktur zur Verfügung und bringen im Gegenzug das erarbeitete Wissen kostenpflichtig an den Mann, genauer gesagt: an kommerzielle Unternehmen. Eine „Kreativinfusion“ für die Agenturen, nennt das Cottrell.

Erfahrung und Kontakte haben die meisten Mitglieder zur Genüge: Sie kommen aus renommierten Agenturen wie Pixelpark oder MetaDesign, haben Projekte für große Konzerne wie Adidas, Bosch oder Audi umgesetzt. Viele hatten auf die Arbeit in den Agenturen keine Lust mehr und setzen jetzt darauf, bei den E-Popstars nur noch an den Projekten zu arbeiten, für die sie sich selbst entscheiden.

Projekte wie die E-Popstars standen aber nicht im Zentrum der „monomedia“. Der symbolische Akt der Konferenz war der Schlüssel zum Verständnis des Wochenendes: Berlin will sich als Hauptstadt der E-Professionals profilieren, die HdK sich als E-Elite-Schule etablieren, und die jungen Pioniere sind auf der Suche nach Geldgebern.

Für die Hochschule war die Konferenz der Startschuss für neue Ausbildungsgänge in Multimediaberufen. Schnittstellenkompetenz, also Kenntnisse aus verschiedenen Bereichen, sowie die Fähigkeit zur Verständigung mit den jeweiligen Experten, sagt HdK-Präsident Lothar Romain, werden im Bereich der neuen Medien in Zukunft immer mehr gefragt sein. Das notwendige Wissen dafür will die HdK in Zukunft stärker vermitteln. Im Herbst beginnt der neu geschaffene Studiengang Electronic business, der in der Bundesrepublik bisher einzigartig ist. Weitere Aufbaukurse sind in Planung.

Doch nicht nur für die Hochschule, auch für das Land Berlin hatte die „monomedia“ hohen symbolischen Gehalt. „Der Wandel zur Informationsgesellschaft ist in Berlin besonders eindrucksvoll“, meint Eva Emenlauer-Blömers von der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie. Das ist längst keine leere Phrase mehr. Rund 300.000 Industriearbeitsplätze hat Berlin in den vergangenen Jahren verloren. Heute gibt es noch 108.000 Jobs in diesem Bereich. Fast genau so viele Beschäftigte arbeiten inzwischen in den rund 8.000 Unternehmen in der Informationsbranche der Hauptstadt. Jährlicher Umsatz: 20 Milliarden Mark. Über 12.500 Studenten werden in medien- und kommunikationsbezogenen Studiengängen ausgebildet, der Bedarf an qualifizierten Fachleuten ist hoch. Mehr als ein Drittel aller Multimedia-Fachleute in deutschen Ballungsräumen arbeiten inzwischen in Berlin. Jeder dritte Berliner nutzt regelmäßig das Internet.

Wenig bescheiden hat sich das Land Berlin bereits selbst den Titel „Capital of talents“ verpasst. Das Programm „Projekt Zukunft“, das vom Europäischen Regionalentwicklungsfonds kofinanziert wird, soll den Berliner Weg in die Informationsgesellschaft ebnen. Gemeinsam bewerben Land und Internetunternehmen die Hauptstadt als Standort für die neuen Medien, schaffen Kontakte und verbessern die Infrastruktur. Rund 80 Millionen Mark hat der Senat der Medienbranche seit 1995 an Fördergeldern zur Verfügung gestellt, für den Zeitraum bis 2006 sind 180 Millionen eingeplant.

E-Popstar Cottrell erzählt, dass sich selbst seine Partner in San Francisco oder London immer wieder interessiert nach der Situation an der Spree erkundigen. „Der Regierungsumzug und die damit verbundene Dynamik verleihen Berlin den letzten Glanz“, sagt auch Sascha Prosek von der Agentur Pixelpark. „Der Durchbruch für Berlin als Hauptstadt der neuen Medien ist da.“ANDREAS SPANNBAUER

Mehr zur „monomedia“ am Donnerstag auf der Internetseite der taz