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: Schleichender Tod

Bücher sterben langsam (Sonntag, 0.05 Uhr, ZDF)

Behände schwebt die Kamera durch die langen Bücherreihen in den Räumen der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar. Der Zuschauer weiß sofort: Hier ist das Wissen ganzer Generationen gespeichert, hier werden die Werke berühmter Dichter und Philosophen aufbewahrt. Und schon im nächsten Augenblick erleidet die Ehrfurcht vor den gedruckten, teilweise gar handgeschriebenen Originalen einen Rückschlag: Ein Bücherregal bricht in sich zusammen, die Bände zerfallen zu Staub, es gibt keine Möglichkeit mehr, die literarische Vielfalt zu retten. Bücher sterben langsam: Karl-Heinz Meier und Willi Setzer sind dem Zerfall des Papiers für ihre Reportage „Kulturzerfall durch Säuretod und Tintenfraß“ nachgegangen. 60 Millionen Originale müssten allein in Deutschland aufwändig restauriert werden. Mit dokumentarischer Sorgfalt führen die Macher den Zuschauer durch Bibliotheken und Archive an den Ausgangspunkt des Büchersterbens. Vom Deutschen Literaturarchiv in Marbach geht es schließlich ins Zentrum für Bucherhaltung nach Leipzig, wo die Dokumente mittels Papierspaltung und Entsäuerung in metallisch glänzenden Röhren ihrem drohenden Zerfall zumindest vorläufig entrissen werden.

Zwischen historischer Ehrfurcht und moderner Technik zeigt die Reportage, wie ernst es um das literarische Erbe steht. Nur mit Handschuhen können die spröden Seiten von Büchern aus der Mitte des 19. Jahrhunderts noch umgeblättert werden. Originalnotenblätter von Johann Sebastian Bach sind löchrig und dürfen kaum noch angefasst werden.

Um die Originale zu retten, so haben Meier und Setzer recherchiert, bedarf es jedoch eines hohen finanziellen Aufwands, der vom Staat allein kaum zu leisten ist. Nur durch private Spenden ist das wertvolle Kulturerbe noch zu retten. Und das ausgerechnet übers Internet: Dort sind Buchpatenschaften bei Archiven und Bibliotheken anzufordern. Wieder weiß der Zuschauer: Dafür ist es längst höchste Zeit. PS