Lebenslang lernen

IG Metall will über Tarifreform streiten. Rechtsanspruch auf Weiterbildung gefordert

BERLIN taz ■ Es ist ein klares Zeichen, dass der heimliche Abstieg beginnt. Sobald Beschäftigte den 45. Geburtstag hinter sich haben, werden sie nicht mehr für eine betriebsinterne Weiterbildung angemeldet. „Wenn die Halbwertszeit der Leute rum ist, will man nicht mehr in sie investieren“, rügt Heribert Karch von der IG Metall. Die Gewerkschaft will der schleichenden Ausgrenzung vorbeugen. In der Tarifpolitik wollen die Metaller künftig einen Rechtsanspruch auf bezahlte Weiterbildungszeiten durchsetzen. Und zwar für alle.

„Wir brauchen Regelungen für das lebenslange Lernen“, sagt Heribert Karch, Leiter der Tarifabteilung beim Vorstand der IG Metall. Gerade in der Branche der Informationstechnologie und Telekommunikation (IT) wollten die Arbeitgeber „sehr gut ausgebildete Leute“, so Karch. Die einzelnen Unternehmen aber scheuten die Mehrausgaben für die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter – „im Zweifelsfall holen sie sich neue Kräfte von außerhalb“, so Karch. Mit einem Rechtsanspruch könnten die IT-Fachleute ihr Wissen beständig erweitern – und zwar auf Firmenkosten.

Der Rechtsanspruch auf Weiterbildung ist Teil eines Diskussionspapiers, mit dem die IG Metall die Tarifpolitik der nächsten drei Jahre diskutieren will. Bis zum Jahre 2002 sind die Löhne in der Metallbranche tariflich festgeschrieben. Diese Tarifpause soll jetzt dazu genutzt werden, in einer breiten innerorganisatorischen Debatte bis 2003 die neuen tarifpolitischen Schwerpunkte festzulegen. Es werde bei der IG Metall „keinen tarifpolitischen Stillstand geben“, verkündete gestern in Frankfurt Jürgen Peters, zweiter Vorsitzender der Gewerkschaft.

Die Gewerkschaft wolle mit einer „offensiven Politik“ den Flächentarifvertrag reformieren, so Peters. Dazu gehörten zum Beispiel die Entwicklung von Tarifbausteinen, differenzierte Lohnerhöhungen oder Öffnungsklauseln. Auch über eine breitere Beteiligung der Arbeitnehmer an Kapital und Vermögen müsse man diskutieren, so Peters.

Auch der Arbeitgeberverband Gesamtmetall hat schon zuvor eine größere Flexibilisierung der Tarifverträge gefordert. Die Unternehmer aber wollen sich damit nicht höhere Personalkosten einhandeln. In der IG Metall dagegen streitet man intern darüber, ob prosperierende Regionen nicht in Tarifverhandlungen besser wegkommen sollen als ärmere Gebiete.

Gut möglich aber wäre, dass der Rechtsanspruch auf Weiterbildung sich zu einer Art neuem sozialpolitischem Schwerpunkt der IG Metall entwickelt – ähnlich wie die „Rente mit 60“, mit der IG-Metall-Chef Zwickel allerdings in der jüngsten Tarifrunde gescheitert ist.

BARBARA DRIBBUSCH