Dörfer für Arafat

Israels Kabinett beschließt den Rückzug aus drei Vororten von Jerusalem. Einer könnte die Hauptstadt eines künftigen Staates Palästina werden

JERUSALEM taz ■ Mit einer Prüfung für die Koalition eröffnete Israels Premierminister Ehud Barak gestern die sommerliche Parlamentsperiode. Von aufgeregten Zwischenrufen unterbrochen, stellte er die Abgeordneten vor die Wahl zwischen „Sicherheit oder Apartheid“. Auf der Tagesordnung stand die Abstimmung über die Abgabe dreier palästinensischer Dörfer bei Jerusalem. Am Morgen hatte das Kabinett mit 15 zu sechs Stimmen für den Abzug aus Abu Dis und zwei benachbarten Dörfern gestimmt. Zu den Gegnern gehören die vier Minister der orthodoxen Schass, der Chef der Immigrantenpartei Israel BeïAliya, Nathan Scharansky, sowie der Minister der National-Religiösen Partei.

Während die Minister der Schass und der Israel BeïAliya den Saal verließen, stimmte die National-Religiöse Partei geschlossen gegen Barak und verabschiedete sich damit aus der Koalition. Baraks Versuche, die Minister mit dem Hinweis darauf umzustimmen, dass es sich „nur um 0,25 Prozent“ des palästinensischen Landes handelt, für das eine Statusänderung vorgesehen ist, scheiterten. Tatsächlich gehören die drei palästinensischen Dörfer zur so genannten B-Zone und sind in Verwaltungsangelegenheiten bereits autonom. Die fragliche Statusänderung bezieht sich lediglich auf die Sicherheitskontrolle. Barak empfand es als „völlig unverständlich“, wie die Minister, die einst in der Koalition des konservativen Benjamin Netanjahu für den Abzug aus der „heiligen Stadt Hebron“ votierten, nun so kompromisslos auf die Statusänderung in Abu Dis reagierten. Das Thema ist sensibel, weil die Ortschaft als potenzielle Hauptstadt eines künftigen Staates Palästina im Gespräch ist.

„In der Kriegsstunde Vorabgeschenke zu machen ist ein fürchterlicher Fehler“, begründete der national-religiöse Parteichef Schaul Jahalom das Misstrauensvotum seiner Parteifreunde. Man dürfe „keinen Preis für die palästinensische Gewalt bezahlen“. Damit spielte Jahalom auf die gestrigen Unruhen an, die den palästinensischen „Tag der Katastrophe“ begleiteten. Am 15. Mai 1948 wurde der Staat Israel ausgerufen – die Palästinenser erinnern aus diesem Anlass an das Schicksal der Flüchtlinge. Bei den Unruhen in den Grenzzonen bei Bethlehem, Ramallah und Dschenin waren gestern über 300 Verletzte auf palästinensischer Seite gemeldet worden, darunter ein Journalist. Am Nachmittag erlagen, den Berichten zufolge, zwei palästinensische Polizisten ihren Schusswunden. Augenzeugen berichteten von den schlimmsten Auseinandersetzungen seit der Öffnung des Tunnels am Jerusalemer Tempelberg vor drei Jahren. Bereits am Sonntag war ein Palästinenser von israelischen Grenzern erschossen worden.SUSANNE KNAUL

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