Grüne zum Regieren verdammt

Rot-Grün sitzt, passt – und wackelt: Die Wahl in Nordrhein-Westfalen gefährdet das Berliner Bündnis zwar nicht, sagt Schröder. Doch die FDP ist eine „Option“ für CDU wie SPD. Grüne werden in NRW-Koalitionsverhandlungen schwitzen

BERLIN/DÜSSELDORF taz ■ Zumindest derzeit soll die Wahl in Nordrhein-Westfalen, bei der Rot-Grün böse Stimmenverluste hinnehmen musste, die Koalition in Berlin nicht beeinflussen. Bundeskanzler Gerhard Schröder versicherte gestern, dass er an Rot-Grün festhalten wolle. Noch. „Optionen“ auf eine Koalition mit der FDP werde man sich langfristig freilich nicht verschließen.

Die Koalition in Düsseldorf sei natürlich Sache von NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement, behauptete Schröder. Im Nebensatz wurde jedoch deutlich, wer über Rot-Grün oder Rot-Gelb im Land entscheidet: Clement habe das volle Vertrauen des Präsidiums, dass er das Richtige tue und dabei auch die politische Konstellation in Berlin im Auge behalte.

In den Ohren der Grünen mögen Schröders „Optionen“ wie eine Drohung klingen, aber offiziell gibt es bei der Ökopartei „keinen Anlass für hektische Reaktionen“. Dennoch ist man sich bei den Grünen einig, dass die Partei an neue Themen anknüpfen muss. Bundesparteichefin Gunda Röstel fordert, dass die Grünen „mittelfristig“ einen Imagewandel vollziehen müssen.

Nüchtern betrachten die CDUler das Wahlergebnis in Düsseldorf. „Respektabel“ seien die 37 Prozent, sagte Parteichefin Merkel. Die CDU habe sich stabilisiert. Sie geht davon aus, dass die FDP trotz aller Avancen für die SPD ein „potenzieller Bündnispartner der CDU“ bleibt. Das wollen die Liberalen auch nicht verneinen. Beide Volksparteien müssen nun mit ihr rechnen, verkündete Parteichef Wolfgang Gerhardt und dichtete siegestrunken: „Die FDP rückt wieder ins Blickfeld – die Grünen welken.“

Tatsächlich werden die Grünen in den NRW-Koalitionsverhandlungen in den nächsten Tagen unter Druck geraten. Zwar werden sie wie bisher das Umwelt- und Bauministerium besetzen dürfen, allerdings will Ministerpräsident Wolfgang Clement den Bereich Raumordnung der grünen Umweltministerin Bärbel Höhn wegnehmen. Damit wäre Höhn nicht mehr für die weiteren Planungen zum umstrittenen Braunkohletagebau Garzweiler II zuständig.

Ministerpräsident Wolfgang Clement hat durch den Wiedereinzug der FDP in den Landtag ein zusätzliches Drohpotenzial in der Hand: Der strahlende Wahlsieger Jürgen Möllemann, der die Liberalen mit fast zehn Prozent wieder in den Landtag brachte, will um jeden Preis mitregieren. Gestern forderte Möllemann bereits das Bildungs- oder das Wirtschaftsressort für sich und machte auch Schröder Avancen: „Es würde mich kitzeln, 2002 mitzuhelfen“, dass es in Berlin ein rot-gelbes Regierungsbündnis gebe, sagte er.

Bei seiner Forderung nach einem Ministeramt muss Möllemann weder innerparteiliche Konkurrenten noch inhaltliche Diskussionen fürchten. Horst Engel, immerhin auf Platz zwei der Landesliste gesetzt, oder der designierte umweltpolitische Sprecher Felix Becker sind wie auch die übrigen Mitglieder der zukünftigen FDP-Fraktion in NRW unbekannt. Inhalte hat die FDP im Wahlkampf kaum vermittelt: Mehr Geld für die Bildungspolitik, Ausbau von Autobahnen, weniger Bürokratie und der Abbau von Subventionen waren die Kernpunkte des liberalen Wahlprogramms. Dass Teile dieser Forderungen offensichtlich nicht umsetzbar sind, störte die Liberalen dabei offenbar wenig: So fordert Möllemann drei zusätzliche Milliarden für den Bildungsetat, ohne die Herkunft dieser Mittel zu klären. In der Verkehrspolitik verlangt die FDP ernsthaft den Bau eines Autobahntunnels von Düsseldorf nach Dortmund – die knapp 100 Kilometer lange Strecke soll die Autobahnen im Ruhrgebiet entlasten. KARIN NINK
ANDREAS WYPUTTA

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