Verräterisches Doppelbett

■ Gröpelingerin wird vom Sozialamt schikaniert, seit sie unangemeldeten Hausbesuch ablehnte / Die taz hat vorgeschnüffelt: Ist sie mit ihrem Mitbewohner verbandelt?

Erst gab es wochenlang keine Sozialhilfe (die taz berichtete), dann eine reduzierte Zahlung: Susanne Schultes* Mitbewohner soll von seiner Arbeitslosenhilfe monatlich mit 173 Mark zu ihrem Unterhalt beitragen – weil das Sozialamt von einer Lebensgemeinschaft ausgeht. Dass die Gröpelingerin dort schon 15 Mal das Gegenteil kundgetan hat, gilt nicht. Die Mai-Sozialhilfe blieb wieder ganz aus. Die krankgeschriebene Ex-Postbotin sollte sich das Geld beim Sachbearbeiter persönlich abholen. Der wollte sie vorher zur Parksäuberung auf Prämienbasis verpflichten – obwohl sie bereits fünf Atteste über ein chronisches Rückenleiden vorgelegt hatte.

Die taz hat ihr nun einen Kontrolleur ins Haus geschickt. Er sollte die knifflige Frage klären: Sind Susanne Schulte und ihr Mitbewohner ein Paar?

Zwei Namen an einer Tür sind den braven Nachbarn in der ordentlichen Gröpelinger Wohngegend eigentlich schon suspekt. Dahinter verbirgt sich eine gepflegte Zwei-Zimmer-Wohnung. Die erste Adresse für den Kontrolleur ist natürlich die Küche: Wo sollte gemeinsames Wirtschaften deutlicher werden?

Auf den ersten Blick fällt der doppelte Kochlöffel-Satz ins Auge – sogar zwei Spaghetti-Schöpfer stehen neben dem Herd. Und das Geschirr? „Meine Teller stehen hier oben, seine im unteren Schrank“, sagt Ulrike Schulte. Chaos dagegen bei den Bechern: „Seine“ eher schlichten Exemplare stehen mitten unter „ihren“ bunten „Kinderbechern“ – „man hat ja auch nicht unbegrenzt Schränke“, bemerkt sie entschuldigend.

Strikte Trennung herrscht bei den Lebensmitteln. Die Veganerin verwahrt ihre Spezialkost aus dem Bio-Versand in einem Extra-Fach, darüber findet sich „sein“ Nutella, „sein“ Kaffee. „Ich trinke keinen Kaffee“, sagt die 30-Jährige. Auch im Kühlschrank hat jeder sein eigenes Fach, sogar bei den Getränken gibt es „Mein“ und „Dein“. Unter der Spüle finden sich zwei Flaschen Pril – „seine“ kleine und „ihre“ große. „Aber wenn er nur einen Teller benutzt hat, wasche ich den schon mal mit ab“, räumt die Sozialhilfeempfängerin ein. Schon ein Indiz für eine „Wirtschaftsgemeinschaft“?

Im Bad wird der taz-Kontrolleur trotz penibler Recherche nicht fündig: Zwei Shampoos, zwei Seifen, zwei Zahnpasten – alles säuberlich getrennt auf „seiner“ und „ihrer“ Seite. Sogar sein eigenes Klopapier hat jeder, bis hin zu getrennten Vorräten in der winzigen Abstellkammer. Die ist komplett aufgeteilt: Links „seine“ Videosammlung, hinten „ihr“ Kleinkram. Und die Waschmaschine? „Die gehört meinem Mitbewohner. Pro Wäsche zahle ich ihm zwei Mark, wenn ich nicht ins Waschcenter gehe“, sagt Schulte.

In ihrem Zimmer steht ein Fern-seher – jeder hat seinen eigenen. Aber ihre Antenne ist kaputt. „Eigentlich wollte ich beim Sozialamt eine neue beantragen. Aber nach meinem Widerspruch muss ich erstmal den Leistungsbescheid abwarten.“ Doch da! Wenn das kein Beweis ist! „Ihr“ großes Ehebett lässt gerade eben Platz für die imposante Teddysammlung. Das muss sie doch mit irgendwem teilen . . . ob das der Mitbewohner. . . ?

Dessen Zimmertür bleibt verschlossen. „Durch den ganzen Stress mit dem Sozialamt ist unser Verhältnis extrem angespannt“, sagt Schulte, „und mein Mitbewohner schließt seitdem immer ab, wenn er aus dem Haus geht. Jetzt muss ich ihn immer erst fragen, ob ich mal an seinen Computer kann oder so was.“ Lange wird dieser Zustand vermutlich nicht mehr andauern: Susanne Schulte hat inzwischen eine eigene Wohnung in Aussicht. not

*Name geändert