Zinsen gegen Boom

In den USA steigt der Konsum weiter. Die Notenbank verteuert Kredite, um die Inflation zu stoppen

BERLIN taz/rtr ■ Gestern war es wieder so weit: Die Blicke der Frankfurter Chefbanker richteten sich voller Neid gen Westen. In den USA liegen die Zinsen um mehr als zwei Prozent höher als in Europa, und trotzdem boomt der Arbeitsmarkt, steigt der Konsum weiter – im ersten Quartal dieses Jahres so stark wie seit 17 Jahren nicht mehr.

In Washington beriet derweil der Offenmarktausschuß der Notenbank Fed über eine weitere Zinserhöhung. Zwar stand die Entscheidung zu Redaktionsschluss noch nicht fest, doch gingen die Analysten durch die Bank von einer Zinserhöhung um 0,5 Prozent aus – einige prophezeiten 0,75 oder gar ein Prozent. Auf den Finanzmärkten sei der Zinsschritt bereits in den Kursen berücksichtigt worden, sagten Händler in Frankfurt. Entgegen der Regel „steigende Zinsen, fallende Kurse“ wirken höhere Zinsen derzeit eher beruhigend auf die Börsen. „Die Märkte warten auf ein klares Zeichen“, erklärte Aktienanalyst Heiko Bienek.

Die Blicke von Fed-Chef Alan Greenspan waren in letzter Zeit vor allem nach New York gewandt: Wie lange wächst die US-Wirtschaft noch weiter, wann kommt es an den Börsen zur Kurskorrektur? Fünfmal hat die Fed die Zinsen seit Juni 1999 um je ein Viertelprozent erhöht. Doch das hat weder die Produktion gebremst noch die Nachfrage: Die Amerikaner kaufen kräftig weiter – oftmals auf Kredit oder aus den Gewinnen von Spekulationen mit Technologieaktien, hinter denen keine Firmen mit soliden Ergebnissen stehen. Und der Inflationsdruck nimmt zu.

Für den Euro lässt die erwartete Zinsbremse aus Washington nichts Gutes erwarten. Schon ohne Erhöhung ist die Differenz zwischen dem europäischen und dem amerikanischen Leitzins groß genug. Drei Prozent Zinsunterschied kann die Europäische Zentralbank nicht allzu lange tolerieren. Sie müsse sich die Frage stellen, sagte Bundesbankchef Ernst Welteke, ob sie die Zinsen ebenfalls weiter erhöhe. kk