Solingen-Täter sollen zahlen

Überlebenden des Brandanschlags von 1993 wird Schmerzensgeld und Schadenersatz zugesprochen

BERLIN dpa/ap/taz ■ Fünf Jahre sitzen die rechtsextremen Brandstifter von Solingen inzwischen in Haft, gestern hat die Zivilkammer des Wuppertaler Landgerichts die vier jungen Täter auch zu Schadenersatz- und Schmerzensgeldzahlungen verurteilt.

Dem heute 22 Jahre alten Bekir Genc sprachen die Richter 250.000 Mark Schadensersatz und eine monatliche Schmerzensgeldrente von 360 Mark zu. Er hatte bei dem Anschlag schwere Schädelverletzungen erlitten, mehr als ein Drittel seiner Hautfläche war verbrannt. Zwanzig Operationen hat Bekir Genc seit dem Pfingstsamstag 1993 hinter sich, zwei weitere stehen ihm noch bevor. 8.000 Mark soll Ahmet Ince erhalten. Seine Ehefrau starb vor sieben Jahren, als sie aus dem Dachgeschoss des brennenden Hauses sprang. Seiner Tochter, die den Sprung in den Armen der Mutter schwer verletzt überlebte, wurden 10.000 Mark zugesprochen. Der Anwalt der Familie hatte 56.000 Mark gefordert.

Außerdem verpflichtete das Gericht die Brandstifter, in Zukunft Arztkosten und Medikamente der Opfer zu zahlen, die als Folgen des Brandanschlags nötig werden.

Allerdings haben sie schlechte Aussichten, tatsächlich Geld von den Tätern zu bekommen: Die heute zwischen 25 und 30 Jahre alten Brandstifter haben weder Vermögen noch Einkommen.

Bei dem verheerenden Feuer in der Unteren Werner Straße 81 waren 1993 drei türkische Mädchen und zwei Frauen verbrannt. Acht Bewohner erlitten zum Teil schwere Verletzungen. Motiv der damals 16- bis 23-jährigen Täter: Ausländerfeindlichkeit. Wegen 5-fachen Mordes, 14-fachen Mordversuchs und besonders schwerer Brandstiftung verurteilte das Düsseldorfer Oberlandesgericht die Rechtsextremisten 1995 zu Haftstrafen zwischen 10 und 15 Jahren.

Dass die Überlebenden erst sieben Jahre nach dem Anschlag in erster Instanz Schmerzensgeld zugesprochen bekamen, bezeichnete der Opferanwalt Rainer Brüssow gestern als skandalös: „Das ist nicht im Sinne der Opfer und zeigt die Langsamkeit der deutschen Rechtsprechung“, sagte er. Die Wuppertaler Richter mussten in dem fast zwei Jahre dauernden Zivilprozess erneut über die Schuld der vier Brandstifter entscheiden. Dazu hörten sie etwa dreißig Zeugen.

Die Anwälte der Familie Genc unterstrichen nach dem gestrigen Urteil die symbolische Bedeutung des Richterspruchs: „Auch wenn die Geschädigten kein Geld sehen werden: Potenzielle Straftäter müssen wissen, dass sie neben einer langen Haftstrafe auch mit hohen finanziellen Nachforderungen zu rechnen haben.“ GEIS