: Der Extra-Knast für den Expo-Gast
Die aktiven Gegner der Weltausstellung sind auf ein kleines Häuflein geschrumpft. Die Polizei erwartet jedoch ein Ansteigen der Alltagskriminalität und setzt tausende Beamte mehr ein
HANNOVER taz ■ Fünf Tage vor der Weltausstellung soll am 27. Mai in Hannover eine bundesweite Großdemonstration gegen die Expo 2000 stattfinden. Zu erwarten sind allenfalls einige tausend Linke, junge Umweltschützer oder Mitglieder von Dritte-Welt-Gruppen. Seine Hochzeit hat der Widerstand gegen die Mischung aus Industrieschau, Disneyland und ein wenig Agenda 21 nämlich längst hinter sich: Im Sommer 1992, als Umweltverbände und die jetzt nur mäßig kritischen Grünen gegen die Weltausstellung mobilisierten, sprachen sich immerhin 48,5 Prozent der Bürger Hannovers in einer von der Stadt organisierten Abstimmung gegen die Expo und 51,5 Prozent dafür aus.
Für den Eröffnungstag am 1. Juni planen die verbliebenen Anti-Expo-Gruppen zwar weiter an vielen Punkten Hannovers Aktion und wollen „Sand im Getriebe“ sein. Umweltverbände riefen allerdings nicht mehr zu Demonstrationen auf, versichert der Sprecher des BUND Niedersachsen, Robert Exner, jahrelang einer der profiliertesten hannoverschen Expo-Kritiker. Auch die AKW-Gegner aus dem Wendland wollen ihre Drohung, am 1. Juni mit Treckern vor dem Expo-Eingängen zu stehen, längst nicht mehr wahr machen. Gedacht sei allenfalls an eine kleine symbolische Aktion ohne Traktoren, um auf das eigene Anliegen aufmerksam zu machen, sagte Herrmann Bammel von der wendländischen bäuerlichen Notgemeinschaft. Inzwischen sind auch bei einigen hannoverschen Aktivisten Zweifel aufgetaucht, ob unter diesen Voraussetzungen Aktionen am Eröffnungstag überhaupt noch Sinn machen. Ein Papier, in dem die Zweifel festgehalten wurde, sorgte kürzlich ausgerechnet auf dem letzten bundesweiten Vorbereitungstreffen der Expo-Gegner für Diskussionstoff.
Zum Expo-Auftakt werden auf jeden Fall mehr Polizisten als Kritiker in Hannover präsent sein. Das spezielle Expo-Gefängnis am Flughafen Hannover-Langenhagen wird in der nächsten Woche in Betrieb gehen. Angesichts der vielen internationalen Gäste auf der Weltausstellung ist die Haftanstalt mit maximal 230 Plätzen praktischerweise auch gleich als Abschiebeknast konzipiert.
Bis zu 7.500 Polizisten und Grenzschutzbeamte sollen während der Expo in Hannover zum Einsatz kommen. Normalerweise gibt es in der 530.000-Einwohner-Stadt 2.450 Polizeibeamte und 720 Grenzschützer.
An den 153 Expo-Tagen wären im Schnitt 260.000 zusätzliche Weltausstellungsgäste zu erwarten, wenn tatsächlich 40 Millionen Eintrittskarten verkauft werden. Obwohl die Besucher zumeist direkt am Ausstellungsgelände ankommen, fürchtet der niedersächsische Innenminister Heiner Bartling einen Anstieg der Taschendiebstähle und Raubdelikte oder auch mehr Straftaten im Rotlichtmilieu. Dem soll nun eine auf das Zweieinhalbfache erhöhte Polizeipräsenz vorbeugen. Zu dem permanenten Großeinsatz wollen der Bund und die Länder rund 3.000 zusätzliche Polizisten nach Hannover abordnen. Niedersachsen selbst will 1.300 Beamte zum Expo-Dienst in seine Landeshauptstadt entsenden. Die Polizeien der Länder und des Bundes während der Expo seien „auf alle Gefahren für Sicherheit und Ordnung gut vorbereitet“, meint denn auch zufrieden Bundesinnenminister Otto Schily.
Dazu kommen dann noch 170 internationale Polizisten, die in den Uniformen ihrer Heimatländer zusammen mit deutschen Kollegen, allerdings ohne Waffen, auf Streife gehen sollen. Nach Angaben des hannoverschen Polizeipräsidiums, das den Expo-Einsatz leitet, sollen nämlich alle zusätzlichen Beamten vor allem im Streifendienst eingesetzt werden. Normale polizeiliche Arbeit, aber mit vermehrter Präsenz, lautet das Schlagwort, unter dem der Einsatz der Ordnungskräfte steht. JÜRGEN VOGES
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