Kabinett gebremst

Eigentlich wollte die Regierung keine kurzfristigen Maßnahmen gegen Sommersmog mehr beschließen, doch die Fraktionen spielen nicht mit

BERLIN taz/ap ■ Eigentlich wollte heute das Kabinett das Thema Sommersmog endgültig vom Tisch kriegen. Kurzfristig lindernde Maßnahmen bei akutem Ozonalarm wie ein Tempolimit oder ein Fahrverbot für Autos ohne geregelten Katalysator sind allerdings nicht vorgesehen. Allein langfristig wirkende Regeln, wie etwa höhere Steuern auf schadstoffreiche Fahrzeuge, sieht der Kabinettsentwurf vor.

Das Papier ging, wie die taz erfuhr, den Regierungsfraktionen nicht weit genug. Gestern Mittag schickten sie ihre Umweltexperten zu einer Krisensitzung ins Kanzleramt. Die machten Staatsminister Hans Martin Bury deutlich, dass die Fraktionen den neuen Regelungen gegen Sommersmog nicht zustimmen würden ohne Maßnahmen, die auch kurzfristig greifen. Nun ist das Kanzleramt gefordert, geeignete Vorschläge zu prüfen. Am wahrscheinlichsten ist die Einführung eines „Ozontickets“, mit dem man bei hohen Ozonwerten billiger Bus und Bahn fahren kann. Die Regierung prüft derzeit die daraus entstehenden Kosten. Auch ein Tempolimit und ein Fahrverbot sind nun wieder möglich, wenn auch eher unwahrscheinlich.

Das Umweltministerium hatte das Maßnahmenpaket bereits am Montag mit den anderen Ressorts abgestimmt, bevor die Fraktionen auf die Barrikaden gingen. Vor einem Jahr hatte Umweltminister Jürgen Trittin einen ersten Entwurf vorgelegt, in dem er auch ein Tempolimit und Fahrverbote forderte, doch hatte er sich nicht in der Ressortabstimmung gegen Kanzleramt, Wirtschafts- und Verkehrsministerium durchsetzen können.

Nun einigte sich gestern Staatsminister Bury (SPD) mit den Fraktionspolitikern Reinhard Loske und Winfried Hermann (beide Grüne) sowie Ulrike Mehl und Michael Müller (beide SPD) darüber, dass das Maßnahmenpaket heute dennoch durch das Kabinett kann. Ein weiteres Paket kurzfristiger Maßnahmen müsse aber rasch folgen, andernfalls drohten die Fraktionspolitiker, der Umsetzung des Programmes im Bundestag nicht zuzustimmen.

Zu den „Dauerhaften Maßnahmen zur beschleunigten Reduzierung der Ozon-Vorläufersubstanzen“, die heute durchs Kabinett gehen sollen, gehören eine abgasbezogene KFZ-Steuer für Motorräder, eine EU-weite Kerosinabgabe, eine emissionsbezogene Landegebühr für den Flugverkehr sowie die Verbesserung der Saugrüssel an Tanksäulen, die dort frei werdende Dämpfe absaugen sollen. Zudem soll der Ausstoß von Lösemitteln vermindert werden.

MATTHIAS URBACH