Bremer Enthinderungen im Juni

■ Ein Kongress vom 1. bis 3. Juni beschäftigt sich mit der Gleichstellung Behinderter / Rollifahrer Scherf auf Promotour

„Scheißding“ sagte Henning Scherf zu dem Rollstuhl, auf dem er gestern saß, als der einmal mehr auf dem Kopfsteinpflaster des Marktplatzes festhing. Rollifahrer Scherf fuhr medienwirksame Reklame für „Enthinderungen“, einen „Kongress zur Integration und Gleichstellung Behinderter“, der vom 1. bis 3. Juni in der Glocke steigt.

Vier Organisationen haben sich dafür vor zwei Jahren zusammengetan und den Kongress vorbereitet: Die Bremische Evangelische Kirche (BEK), die Architektenkammer, das Design Zentrum und Selbstbestimmt Leben. Mit des Bürgermeisters Unterstützung – er ist Schirmherr der Veranstaltung – stellten sie gestern das Programm vor. Das Angebot richtet sich an Menschen mit und ohne Behinderung. Die Botschaft: „Nicht die Behinderten müssen sich verändern, sondern die Gesellschaft muss sich verändern. Sie muss sich enthindern“, formulierte gestern Pastor Horst Janus von der BEK.

Der Komplexität des Themas wollen die Veranstalter gerecht werden, indem sie Vorträge, Diskussionen oder Exkursionen verschiedenen Bereichen zuordnen. So diskutieren und referieren Professoren, DoktorInnen und Menschen ohne Titel, aber mit Wissen über Themen wie neue Beschäftigungsstrategien oder Informationstechnologien für Behinderte, über barrierefreies Bauen oder unter dem Titel „Welche Gesundheit wollen wir?“ über Ethik und Ökonomie. Es wird nicht nur geredet, es wird gefeiert und getanzt: „Celebrating the difference“ heißt die Fete am Abend des 2. Juni im Pier 2, mit dem Pantomimen Jomi, dem Blauschimmel Atelier und Musik von Heart'n Soul.

Einen konkreten Anlass für „Enthinderungen“ gibt es nicht. „Wir haben die gleichen Ideen und vor zwei Jahren zueinander gefunden“, sagt BEK-Mann Janus. Ursprünglich hatten die Veranstalter mit 1.000 Teilnehmern gerechnet – bisher haben sich 200 Menschen angemeldet. „Das ist natürlich nicht ganz so toll“, sagt Horst Janus, man habe sich schlicht verschätzt: Rund 600 Rückmeldungen bekamen die Initiatoren auf erste Publikationen. „Damals waren wir optimistisch und mutig“, daher die vollmundige Ankündigung der Eintausend. Mit mindestens 300 Teilnehmern rechnet Janus nun. Und schließlich: „Der Kongress ist auf alle Fälle interessant, ob nun 300 oder 1.000 teilnehmen.“

Die Veranstalter beeilten sich gestern zu betonen, dass „Bremen bundesweit sehr fortschrittlich ist“, was die Integration behinderter Menschen angehe, so Matthias Botter vom Verein Selbstbestimmt Leben. „Aber es ist immer noch verbesserungsbedürftig“. Siehe Henning Scherf. Mit Mühe bewältigte das Stadtoberhaupt die Buckelsteine vorm Rathaus, die Medienmeute im Nacken und den Oberkiefer fest in die Unterlippe gerammt. sgi