Der Sternenmann

Ayman hat den Hit des Frühsommers geliefert. Selbst gestandene Drum-’n’-Bass-DJs sitzen nachts in Berlin-Mitte beim Bier unter freiem Himmel und summen „Du bist mein Stern“

von TOBIAS RAPP

Man kann ihm nicht entkommen: Morgens kommt er aus dem Radio, vormittags läuft er im Supermarkt, nachmittags hört man ihn aus Autos, wenn man an der Ampel steht, und abends kommt er noch mal im Musikfernsehen. Ayman: „Mein Stern“. Ein Hit, ein Frühsommerhit.

Wenn man Ayman so vor sich hat, sieht er nicht aus wie ein R’-n’-B-Star. Clubwear, die Haare sind raspelkurz, er trägt seinen Bart wie auf dem Plattencover. Und er hat seinen Manager dabei, der mitunter, als sei Ayman noch in der Vorbereitungsschleife des Startums, ins Gespräch eingreift.

Aymans Eltern kommen aus Tunesien, er ist in Lichtenrade aufgewachsen. Aber ob seine Präferenz für schwarze Musik etwas damit zu hat, als Migrantenkind aufgewachsen zu sein, die Frage hat er sich noch nicht gestellt. Ist ja auch eine blöde Frage. Großartig mit seinen Kumpels zusammen gesungen hat Ayman nie, eher für sich allein zu Hause, zusammen mit dem Radio und dem Plattenspieler. All den ganzen Amikram – von Stevie Wonder bis Boyz II Men. Im September wird Ayman 26 Jahre alt, und die letzten sechs Jahre seines Lebens hat er in Diskotheken als Security gearbeitet. Entdeckt wurde er eigentlich nicht. In einer Diskothek drückte er einem seiner heutigen Produzenten eine Kassette in die Hand, und wenige Tage später war er im Studio. Ansonsten hält er sich bedeckt.

Was sollte er auch groß erzählen: dass er mit Puff Daddy auf Tour war? Dass Puff Daddy ihn nach einem Auftritt zu einem Drink eingeladen hat, und ihm dann tatsächlich Jennifer Lopez vorgestellte? Stimmt alles, aber Ayman ist nicht der Typ, der mit so was hausieren gehen würde. Was um so mehr erstaunt, als Ayman natürlich auch weiß, dass das, was die Amis machen, der amtliche Scheiß ist, an dem sich guten Gewissens zu messen schwierig ist. Da ist es fast ein Adelsschlag, wenn Montell Jordan ihn während seiner Deutschlandtournee darauf anspricht, er habe bemerkt, dass Ayman im deutschen Musikfernsehen rauf und runter gespielt werde.

Und neben Xavier Naidoo gibt es in Deutschland ja auch niemanden, der dieses Marktsegment abdecken würde. Wobei Naidoo mit seinem verstrahlt-religiösen Sendungsbewusstsein noch einige Schritte weiter geht als Ayman, der sich vor allem als der sensible Liebhaber darstellt. Und einen Moses Pelham hat Ayman auch nicht im Rücken, einen größenwahnsinnigen Produzenten, der nicht nur die musikalischen Modelle aus den USA importierte, sondern sich selbst inszeniert wie einen US-Amerikaner. Triple-M, das Produzententeam, das für Aymans Platte verantwortlich zeichnet, reicht es, die amerikanischen Modelle zu adaptieren, leicht den deutschen Hörgewohnheiten anzupassen und das Ganze in die Charts zu bringen.

Zum Beispiel The Boyz. Man nehme drei Westberliner Ausländer zweiter oder dritter Generation, ein Trio, das wirklich singen kann und auch in der Lage ist, spontan a cappella alte Doo-Wop-Standards zu singen, ohne prätentiös oder aufgesetzt zu wirken. Denen baue man einen R’-n’-B-Sound und lasse sie wie eine Boygroup auftreten, fertig ist Hit Nummer eins. Oder Music Instructor. Man nehme eine Breakdance-Gruppe, baue ihr einen slammenden Neo-Electro-Track hin, lasse die Tänzer und Tänzerinnen in ein Video einpassen, und fertig ist der Hit Nummer zwei. Oder eben Ayman. Man nehme jemanden, der seine Stimme an den Motown-Hits der Achtziger geschult hat und baue ihm ein zeitgenössisches Soulgerüst um seine Stimme: Fertig ist Hit Nummer drei.

Wobei Ayman tatsächlich das avancierteste Produkt aus dem Hause Triple-M präsentiert. Avancierter wahrscheinlich, als es ursprünglich geplant war. Als Markteinführung wurde er noch mit der Ex-TicTacToe-Sängerin Ricky zusammen dem Publikum vorgestellt, wurde also eher auf das Publikum angesetzt, für das die Grenze zum Schlager fließend ist. Doch spätestens mit „Mein Stern“ dürfte auch Triple-M klar sein: Je schwärzer sich Ayman anhört, desto erfolgreicher ist er. Selbst gestandene Berlin Mitte-Drum’-n’-Bass-DJs sitzen nachts beim Bier unter dem Frühsommerhimmel und summen „Du bist mein Stern / du bist für mich der Sonnenschein / Von nah und fern / Ich werde immer bei dir sein“. Folgerichtig ist das Video der dritten Single „Nur eine Nacht“ nicht nur in Miami gedreht worden, es ist auch noch eine Sängerin aus Harlem dazugekommen.

Ayman: „Hochexplosiv“. Triple-M/Eastwest