Hilfe für Fischers Europa

Kritik und Beifall für die Fischer-Rede: Zwar sei sie „zu weit reichend“ für dieEU-Konferenz, die Ideen stehen aber morgen in Rambouillet zur Debatte

BERLIN taz ■ In Zusammenarbeit mit Frankreich, das am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, möchte die Bundesregierung jetzt offenbar Mehrheiten für Fischers Ideen organisieren. Das Echo in der EU auf die Rede sei gut gewesen. Es könne europaweit aber „nicht immer derselbe Begeisterungsgrad erwartet werden“, hieß es gestern. Die Debatte zieht inzwischen weite Kreise. Der ehemalige Kommissionspräsident Jacques Santer befand die Gedanken Fischers zwar als „nicht neu“, erhofft sich von den Vorstellungen über die künftige Struktur der Europäischen Union jedoch eine „Aufbruchstimmung“. So „sollte in Europa die Identität der Nationalstaaten gewahrt bleiben“, meinte der Luxemburger Politiker zu Fischers Überlegungen über ein Kerneuropa.

Der französische Christdemokrat Alain Lamassoure begrüßte, dass durch Fischers Vorstoß „die Debatte über das bisherige Tabuthema einer europäischen Föderation wieder in Gang gebracht wird“. Überwiegend auf Kritik stieß Fischers Idee über die Entsendung nationaler Abgeordneter nach Europa. Derartige Vorstellungen seien ein Rückschritt. Der irische Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Patrick Cox, bedauerte im Namen seiner Fraktion den „persönlichen Charakter“ von Fischers Überlegungen. Er hätte sich eine „klare deutsche Position als Beitrag zur Reformkonferenz der Europäischen Union“ gewünscht.

Fischers Beitrag wird in jedem Fall Thema bei dem informellen deutsch-französischen Gipfel am Freitag sein. Allerdings werde sie nicht Schwerpunkt des Arbeitstreffens in Rambouillet, hieß es gestern in deutschen Regierungskreisen. Bei dem Treffen wollen Frankreichs Staatspräsident Chirac, Ministerpräsident Jospin und Außenminister Vedrine mit Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und Fischer über Aufgaben in der Europapolitik vor Beginn der französischen EU-Präsidentschaft beraten. Lorbeeren heimste Fischer auch gestern gleich noch von Schröder ein, der die Rede als „weit reichende und tragfähige Konzeption“ lobte. Der Kanzler musste jedoch zugeben, Fischers Beitrag in Grundzügen schon vorher gekannt zu haben.

Für die EU-Regierungskonferenz im Dezember, die sich mit Fragen der Erweiterung und Vertiefung der EU befasst, seien Fischers Vorschläge allerdings zu weit reichend. pat/ah