Ausgebrannte Vulkanesen

■ Studie: Wer auf der Werft arbeitete, wurde eher krank als anderswo

Arbeitslosigkeit macht krank – kranke Menschen werden eher arbeitslos. Welche der beiden Thesen eher zutrifft, ist umstritten. Eine Studie des Zentrums für Sozialpolitik an der Uni Bremen lenkt nun den Blick auf dieses Problemfeld. Sie beschäftigt sich mit der gesundheitlichen Biographie von Arbeitern der vor drei Jahren Konkurs gegangenen Vulkan-Werft.

Die größten Verlierer der Pleite sind die heute 50- bis 59-Jährigen, so ein Zwischenergebnis der Untersuchung. Sie gehört zu einem Projekt, für das sich vor einem Jahr der kirchliche Verein „Arbeit und Zukunft“, das Zentrum für Sozialpolitik, ehemalige Vulkan-Mitarbeiter und die IG-Metall zusammengetan haben.

Die älteren unter den ehemaligen Vulkanesen gaben bei der schriftlichen Befragung durch die Wissenschaftler auffällig häufig ihren schlechten Gesundheitszustand an – im Gegensatz zu den Rentnern oder jüngeren Ex-Kollegen. Viele von ihnen haben mehrere Leiden zugleich, vor allem Rücken- und Atemwegserkrankungen, aber auch psychische Beschwerden. Gehörschäden, Allergien, Magen-Darm-Leiden sind häufig; auch die Krebsvorstufe Asbestose wird auffallend oft genannt.

„Die Betroffenen sind in eine Art Falle hineingeraten“, interpretierte Prof. Dietrich Milles die Ergebnisse. Sie seien zu alt und zu krank für den Arbeitsmarkt, aber noch zu jung für eine Frühpensionierung. Nur knapp ein Fünftel der 50- bis 59-Jährigen sieht die eigene Zukunft im positiven Licht. Die jüngeren unter ihnen sind zeitweise bei Leiharbeitsfirmen beschäftigt – mitunter für die Hälfte ihres früheren Lohns und ohne das frühere Gefühl betrieblicher Solidarität.

Der Verlust der „Betriebsfamilie“ jedoch kann laut Milles und seinen MitarbeiterInnen bewirken, dass bereits bestehende Krankheiten voll durchschlagen. Auch die innere Einstellung ist wichtig: Wer den Konkurs passiv hinnimmt, leidet gesundheitlich stärker, meint Milles.

Gelegenheiten, schon bei der Arbeit krank zu werden, gab es auf der Vulkan-Werft genug. Da ist der Fall eines kürzlich an Krebs verstorbenen Schlossers, der Ende der 70er Jahre bei Schiffs-Umbauten mit asbesthaltigem Staub in Berührung kam. Die – extrem hohen – Ergebnisse der Messungen, die damals auf der „Kungsholm“ vorgenommen wurden, waren lange Zeit verschwunden. Mit Hilfe des Vereins, der tausende Gesundheitsakten aus Vulkan-Beständen sicherte, wurde das Leiden des Mannes 1999 von der Berufsgenossenschaft als Berufskrankheit anerkannt.

Durch die Auswertung der Fragebögen – insgesamt über 500 – und Tiefen-Interviews mit Betroffenen will man nun nach Strategien fahnden, wie man den Verlust der Arbeit möglichst heil übersteht. Prof. Milles hält überdies „gewerkschaftliche Solidarität auch über die Betriebszugehörigkeit hinaus“ für notwendig.

Pastor Reinhard Jung (Arbeit und Zukunft) wird konkreter: Er fordert stärkere staatliche Aktivitäten auf dem zweiten Arbeitsmarkt. Devise: Arbeit hält fit. Das öffentlich finanzierte Sommerprogramm „Ältere Arbeitslose“, dass es in diesem Jahr in Bremen geben soll, hält er indes für unzureichend: Beschäftigungsmöglichkeiten lediglich in Sportvereinen seien einfach nicht genug. hase