die wirrsten grafiken der welt (14): hermetische lyrik in ihrer größten krise
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Der Semiotiker Utz Maas, Jahrgang 1942, hat nacheinander an den Universitäten Hamburg, Berlin (TU und FU), Roskilde (Dänemark) und Osnabrück gelehrt, und 1989 hat er in dem sehr schönen, von Konrad Ehrlich herausgegebenen Suhrkamp-Taschenbuch „Sprache im Faschismus“ die obenstehend faksimilierte Grafik namens „Tabelle 2“ publiziert. Und die hat es in sich. Man weiß nicht, wozu sie gut ist, man erahnt nicht einmal von ferne, was die Pfeile, Hieroglyphen und Kürzel bedeuten möchten. Es spricht einiges dafür, dass die „Tabelle 2“ der hermetischen Lyrik zuzuschlagen ist. Auch die scheinbar Sinn und Aufschluss gebende Fußnote „(WIR* = adressaten-exklusives WIR)“ stiftet nur noch dickere Verwirrung. In dem zitierten Werk, das diese grandiose Grafik enthält, heißt es unter anderem: „Dieses Präsuppositionssystem, die einverständige Verdrängung, gerieten in ihre größte Krise durch eine Subgeneration, die sozusagen an der Schnittstelle jener Erfahrungsdichotomie in der bundesrepublikanischen Bevölkerung lokalisiert ist . . .“ Hört, hört! An anderer Stelle des besagten Werks ist auch noch von „Konzeptualisierungskategorien“ die Rede. Es wäre schnöder Frevel, hier nach Sinn, Logik, Plausibilität zu forschen. Die „Tabelle 2“ ist ein Kunstwerk, das sein letztes Geheimnis für sich behält. Danke, Utz Maas! Danke, liebe Semiotiker! GERHARD HENSCHEL

QUELLE: KONRAD EHRLICH (HG.): SPRACHE IM FASCHISMUS, FRANKFURT/MAIN 1989, S. 176