Erst der Regen stoppt den Krawall

Die Scharmützel zwischen türkischen und englischen Fußballfans verlaufen am Ende relativ glimpflich

KOPENHAGEN taz ■ Vor der Gaststätte Absalon in der Fußgängerzone kehrte eine Barfrau die Scherben weg. Neben ihr standen die englischen Fans unbeweglich, nur ihre Arme hoben sie, um das Bierglas zum Mund zu führen. Sie warteten darauf, dass es wieder losging, sie wieder Gläser und Flaschen werfen könnten. Es gibt im Englischen sogar ein Verb dafür: to glass somebody. Jemandem ein Glas gegen den Kopf werfen.

Kopenhagen hat am Mittwochabend 39.000 Fußballfans beherbergt, die dem Uefa-Cup-Finale zwischen Galatasaray und Arsenal im Parken-Stadion eine fantastische Atmosphäre gaben. Gesehen hat die Welt via Fernsehen aber nur jene wenigen hundert, die im Vorfeld aufeinander losgingen. Das Massengerangel ereignete sich TV-freundlich auf dem zentralen Radhuspladsen, sodass Fernseh- und Zeitungscrews live zuschauen konnten, was dem Ganzen einen absurden Charakter verlieh. Erst als einige Kameramänner auch getreten und geschlagen wurden, fiel ihnen wieder ein, dass hier doch kein Actionfilm ablief.

42 Festnahmen und elf Verletzte – keiner lebensgefährlich – meldete die Kopenhagener Polizei, die Tränengas einsetzte. Das ist – so zynisch es klingen mag – eine gute Bilanz, gemessen daran, dass sich 39.000 fremde Fußballfans in der Stadt befanden und zwei Tage lang wenig anderes taten, als Bier zu trinken und grölend durch die Straßen zu ziehen. Nachdem beim Halbfinalspiel zwischen Galatasaray und Leeds vor einem Monat zwei englische Fans von Türken erstochen wurden, war beim erneuten Aufeinandertreffen von türkischen und englischen Anhängern Ärger zu befürchten.

Dabei waren augenscheinlich keine Hooligans am Werk, keine organisierten Krawallmacher. Englische Besucher, berauscht vom Bier, prügelten sich vor allem mit türkischen Jugendlichen aus Kopenhagen. Die dänische Hauptstadt mit ihren vielen Straßencafés lieferte unfreiwillig ideale Wurfgeschosse: Stühle, Tische sowie jede Menge geparkte Fahrräder. Und die dänische Polizei mit ihrer vergleichsweise zurückhaltenden Einsatzstrategie muss sich nun einige Fragen gefallen lassen. „Vielleicht haben wir unterschätzt, dass so viele nur mit einem Gedanken nach Kopenhagen kamen, Randale zu machen“, sagte Einsatzleiter Mogens Lauridsen, der rund 2.500 Beamte im Dienst hatte. Die Zeitung Berlingske Tidende jedoch sieht ein grundsätzliches Problem: „Wir müssen begreifen, dass ein Land wie Dänemark solche Großveranstaltungen nicht ausrichten kann.“

Besänftigt wurden die Schläger am Mittwochnachmittag von einer ganz natürlichen Kraft: Auf einmal waren sie von den Straßen verschwunden – weil es in Strömen regnete. Leider war es nur ein kurzer Schauer. RONALD RENG