Neuer Rahmen für Fusionen

Die Eckpunkte für das Übernahmegesetz liegen vor: Die angegriffene Firma darf sich ein bisschen wehren, aber nicht zuviel. Informationsrecht für Beschäftigte

BERLIN taz ■ Durch das neue Übernahmegesetz sollen die Beschäftigten und Aktionäre von Firmen, die von anderen Unternehmen geschluckt werden, eine gewisse Sicherheit erhalten. Am Mittwochabend legte der Staatsminister im Kanzleramt, Hans Martin Bury, einer 14-köpfigen Runde von Experten aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Verbänden und Gewerkschaften die Eckdaten für das Übernahmegesetz vor. Der Entwurf wird an den Finanzminister weitergeleitet. Das Gesetz soll Anfang nächsten Jahres in Kraft treten.

Drei Kernpunkte enthält der Gesetzesentwurf. Erstens: Sobald ein Unternehmen mindestens 30 Prozent der Anteile eines anderen erworben hat, muss es allen Aktionären ein Angebot zur Übernahme ihrer Aktien unterbreiten. Die Offerte soll dabei dem durchschnittlichen Preis der Aktien der Zielgesellschaft in den vorgangegangenen sechs Monaten entsprechen. Dabei darf auch ein Aktientausch vorgeschlagen werden – vorausgesetzt, die den Aktionären der Zielgesellschaft angebotenen Aktien werden an einer europäischen Börse gehandelt und können so zu Geld gemacht werden. Die Gewerkschaften hatten zunächst gefordert, das Pflichtangebot müsse in Bargeld erfolgen. Mittlerweile kann der Deutsche Gewerkschaftsbund auch mit einem Aktientausch leben: „Das ist so gut wie cash. Da besteht keine Notwendigkeit, ein Unternehmen zu zwingen, alles mögliche zu verkaufen, um die Aktionäre auszahlen zu können“, sagte Heinz Putzhammer vom Deutschen Gewerkschaftsbund der taz. Die Bargeldpflicht könne Firmen auch in den Ruin treiben.

Aktienrechtler wie der Frankfurter Wirtschaftsprofessor Theodor Baums kritisieren indes, die Regelung benachteilige amerikanische und asiatische Unternehmen: Sie müssten bar zahlen, nur weil ihre Aktien in Hongkong oder in New York gehandelt würden.

Zweitens: Alle Aktionäre und Arbeitnehmer müssen „umfassend unterrichtet“ werden. Diesen Punkt fanden die Sachverständigen der Börse, die allerdings nicht zur Expertenkommission gehören, zunächst überflüssig.

Drittens: Das angegriffene Unternehmen darf sich wehren, etwa indem es nach einem anderen Angebot Ausschau hält oder sein Kapital erhöht. Allerdings soll das angegriffene Unternehmen zur Neutralität verpflichtet sein. Aktionäre und Beschäftigte sollen davor geschützt werden, dass ihr Management aus egoistischen und ökonomisch opportunen Gründen einen Abwehrkampf aufnimmt. Hier besteht jedoch noch Diskussionsbedarf: Was ist neutral?

In den USA zum Beispiel sind die Unternehmer verpflichtet, den Interessen von Aktionären und Beschäftigten Rechnung zu tragen. So dürfen sie, wenn nötig, das Unternehmen umbauen, Teile verkaufen, sich für den angreifenden Interessenten unattraktiver machen.

Möglicherweise hinkt das Gesetz aber schon jetzt der Entwicklung hinterher: Nach der Börsenfusion zwischen Frankfurt und London steht vielmehr eine europaweite Harmonisierung der Übernahmeregelung an. bw, kk