Kriminelle Rapsodie

Der Fall „Schmutziger Raps“ zeigt: Kontrolle genmanipulierter Samen ist unmöglich

von WOLFGANG LÖHR

„Die genmanipulierten Rapspflanzen müssen sofort von den Feldern wieder zurückgeholt werden.“ Jan van Aken, Gentech-Experte bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace, fordert ein rigoroses Vorgehen der Kontrollbehörden. Nur so sei es möglich, dass der in mehreren europäischen Staaten, in Großbitannien, Frankreich, Schweden und Deutschland, illegal vertriebene und angebaute Raps sich über Pollenflug nicht weiter verbreiten könne.

Sofort nachdem gestern bekannt wurde, dass Bauern in mehreren EU-Staaten kontaminiertes Saatgut auf ihre Äcker ausgesät hatten, wurde darüber spekuliert, wie es dazu kommen konnte. Vertrieben hatte das Saatgut, das mit Herbizid-resistenten Raps von Monsanto verunreinigt war, die Saatgutfirma Advanta. Advanta ist eine gemeinsame Tochter des Multis AstraZeneca, der im November die Fusion seiner Agrosparte mit Novartis angekündigt hatte, und der niederländischen Royal VanderHave Grupp. Advanta behauptet, das Saatgut sei verwechselt worden.

Weitaus wahrscheinlicher ist aber, dass es bei der Saatgutherstellung zur Verunreinigung gekommen ist. Es ist ja schließlich nicht das erste Mal, dass Pflanzen, die zur Saatenerzeugung ausgebracht wurden, durch Pollen von einem benachbarten Gentech-Feld befruchtet werden.

Zum ersten Mal wurde ein derartiger „Unfall“ vor drei Jahren in Kanada bekannt. Der Saatgutkonzern Limagrain hatte dort ebenfalls Saatgut für Raps vertrieben, das mit einer Herbizid-resistenten Pflanzensorte von Monsanto verunreinigt war. Die bereits auf den Feldern wachsenden Pflanzen mussten zerstört werden.

Im vergangenen Jahr traf es wieder einer der ganz Großen in der Saatgutbranche, den US-Konzern Pioneer Hi-Bred. In der in Frankreich, der Schweiz und in Süddeutschland vertriebenen Maissorte „Benicia“ wurden DNA-Sequenzen einer nicht in der EU zugelassenen Gentech-Pflanze von Novartis gefunden. Während die Behörden in der Schweiz und Frankreich sofort eine Rückholaktion starteten, blieb seinerzeit die zuständige deutsche Behörde, das Regierungspräsidium Tübingen, weitgehend untätig. Die Pflanzen durften auf den Feldern bleiben.

In allen Fällen ging man davon aus, dass die unerwünschten und nicht zugelassenen Gene über Pollenflug in das angeblich gentechnikfreie Saatgut gekommen sind. „Das Problem ist schon lange bekannt“, erklärt die Biologin Beatrix Tappeser vom Öko-Institut in Freiburg, „nur war keiner willens, bei der Einführung der gentechnisch veränderten Pflanzen sich darüber Gedanken zu machen“.

Das Problem wurde einfach ignoriert. Dabei ist schon aus der konventionellen Pflanzenzüchtung bekannt, dass Rapspollen sich über weite Strecken ausbreiten kann. „Die Ausbreitung kann bis zu mehren Kilometern gehen“, sagt Tappeser. „Raps wird ja auch durch Bienen bestäubt, und die können die Pollen noch viel weiter schleppen.“

Greenpeace-Mitabeiter Jan van Aken hält es für schier unmöglich, die Ausbreitung von genmanipulierten Pollen zu verhindern. Das zeigt für ihn auch ein Fall in den USA, wo ein Ökobauer 7.000 Hekter konventionellen Mais angebaut hatte und hinterher feststellen musste, dass seine ganze Ernte mit Gentechnik kontaminiert war. Da Ökoprodukte. auch in den USA frei von Genmanipulation sein müssen, hatte er enorme Schwierigkeiten bei dem Verkauf seiner Maisernte.

Um bei der konventionellen Saatzucht das Einkreuzen von nicht erwünschten Pflanzensorten zu reduzieren, sind zwischen benachbarten Feldern Mindestabstände vorgeschrieben, berichtet die Biologin Tappeser. „Dabei wird in Kauf genommen, dass trotz der Vorkehrungen eine geringe Menge an Kontaminationen stattfinden.“ Je nach Pflanzenart seien das bis zu fünf Prozent. „Die gleichen Abstände“, so Tappeser, „müssen auch bei Gentech-Pflanzen eingehalten werden.“ Würden ernsthaft Vorkehrungen in Erwägung gezogen, die Verunreinigungen zu minimieren, „müssten die Distanzabstände drastisch ausgeweitet werden“, meint die Freiburger Biologin.

Das wäre natürlich mit höheren Kosten bei der Saatguterzeugung verbunden. Denn in einzelnen Regionen dürften nur bestimmte Pflanzenlinien vermehrt werden. Aber selbst dann kann keine gentechnikfreie Ware garantiert werden.