Nachhilfe vom Psycho-Star

■ „Europas führender Kriminalpsychologe“ war zu Gast bei der Bremer Polizei / Der Trick bei Fallanalysen: Verrat durch die Tat

Tötet man in New York anders als in Bremen, vergewaltigt man in Ennepetal anders als in Shanghai? Perverse Fragen, mag sein. Aber sie haben bei der Polizeiarbeit in den vergangenen Jahren Bedeutung bekommen: für das „fallanalytische Verfahren bei der Verbrechensbekämpfung“. So heißt im Behördendeutsch die Suche nach Anhaltspunkten für ein bestimmtes Täterverhalten in der Tat. Welches wiederum verglichen wird mit anderen Verhaltensweisen hinter anderen Taten. Klingt kryptisch, ist psychologisch. In Bremen gab's vergangene Woche einen Crashkurs in dieser Angelegenheit. Geleitet vom europäischen Star der – nein, nicht Profiler. Thomas Müller, laut Polizei-Presseinfo „Europas führender Kriminalpsychologe“, sagte bei der Vorstellung seiner Person und des Kurses gestern im Polizeipräsidium, das ach so fernsehwirksame „Profiling“, das Erstellen eines Täterprofils, sei in Wirklichkeit das „Seltenste, Schwierigste, Unsicherste“ in der Branche. Die Schlussfolgerung aus der Schlussfolgerung. Kann kaum einer, er auch nicht.

Er, der jahrelang Täter in Hochsicherheitstrakten interviewt hat, der in den USA – der Wiege der Fallanalyse – gelernt hat, er bezeichnet sich als Dienstleister, nimmt einen psychologischen Fingerabdruck wie Kollegen einen genetischen. Findet, vergleicht und interpretiert Verhaltensweisen. Auch der kulturelle Hintergrund spiele hier eine Rolle, deshalb Ennepetal und New York.

Der Täter, lautet Müllers Credo, sei ein „pathologischer Lügner“. Aber: „Mit der Tat sagt er uns die Wahrheit.“ So wie der Kollege am Schreibtisch nebenan durch den rechtwinklig neben dem Lineal platzierten Radiergummi mehr über sich offenbart als durch viele Worte in der Kantine.

Was denn der Kriminalpolizist bisher getan hat, diese Frage drängt sich auf. Müller geschmeidig: „Die normale Kriminalpolizei hat nicht immer die Möglichkeiten, Verhaltensweisen zu interpretieren.“ Zu blöd? Oh nein, höchstens zu unerfahren. Deshalb wurden für den Kurs, der in einigen Wochen für weitere fünf Tage fortgesetzt wird, nur Polizisten mit mindestens zehn Jahren Berufserfahrung auserkoren. Aus der ganzen Republik waren die zwölf Teilnehmer zusammengekommen, zwei aus Bremen. Einer von ihnen, Axel Petermann, erklärt, er habe auf die Frage nach dem Neuen auch erstmal nachdenken müssen. Aber: „Dann habe ich an die aktuellen Fälle gedacht und mich gefragt: Ist denn da eigentlich alles so klar?“ sgi