Wie teuer darf der grüne Strom sein?

Der BUND informiert in Berlin mit dem „Strom-Fon“ über das gute Gewissen aus der Steckdose und darüber, was es kostet

von MARTIN KALUZA

Blickt da noch jemand durch? Seit die Strommonopole gefallen sind, tummeln sich dutzende Anbieter auf dem Markt, von denen jeder sein eigenes Preissystem hat: Grundgebühr, Kosten pro Kilowattstunde, manchmal Zählermiete und Bearbeitungsgebühren, kurze und lange Vertragslaufzeiten.

Die einen verkaufen Strom aus kontrolliert ökologischem Anbau, die anderen orakeln, woher ihrer komme, wüssten sie selbst nicht genau, aber dafür hätte er eine eine ansprechende Farbe. Schon bei den Ökostrom-Labels, die eigentlich als Orientierungshilfe gedacht waren, kann man den Überblick verlieren: Grüner Strom, Label in Silber und Gold, Zertifizierung durch das Ökoinstitut als Grünstrom regenerativ und Grünstrom effektiv, Auszeichnungen durch diverse TÜVs – kapitulieren oder durchbeißen?

Seit Ende April hat der BUND Berlin das „Strom-Fon“ eingerichtet und will wechselbereiten Stromverbrauchern damit den Weg durch den Berliner Strommarkt weisen. Dabei geht es den Umweltschützern vor allem darum, den Verbrauchern zu zeigen, wie sie ihr Geld über die Wahl des Anbieters gezielt in die Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien lenken können.

Doch bislang nutzen die wenigsten der 1,8 Millionen privaten Stromabnehmer in Berlin die Möglichkeit zum Wechsel. Während bei der Bewag knapp fünf Prozent der Kunden auf den „Egalstrom“ Multiconnect umgestiegen sind, wollten gerade mal 0,3 Prozent (das sind 6.000 Kunden) den hauseigenen Ökopur-Strom. 50.000 Kündigungen liegen dem Unternehmen vor, der große Rest rührte sich gar nicht und bekommt weiter denselben Strom wie vorher.

Der BUND überschlägt, dass um die 0,5 Prozent der Berliner Haushalte mit Ökostrom versorgt werden. Wenn Berlin nicht ganz arm dran ist, müssten sich eigentlich mehr als das halbe Prozent als umweltbewusste Verbraucher einschätzen. Positiv gewendet heißt das, dass ein Potenzial eigentlich da ist. Dass so wenige wechseln, liegt nicht allein an der Unübersichtlichkeit des Marktes.

„Ältere Leute“, hat Stromberaterin Elisabeth Schöffmann festgestellt, „wissen oft gar nicht, dass sie wechseln können.“ Viele fragen sich zudem, ob sie ohne Strom dastehen, wenn die neue Firma Pleite macht – doch im Konkursfall müsse die Bewag weiter liefern, beruhigt die Beraterin Anrufer.

„Die meisten denken außerdem, für Ökostrom müssten sie unglaublich viel bezahlen“, hat Schöffmann festgestellt. Zwar sei Ökostrom tatsächlich ein bisschen teurer, aber er sei schon zu Preisen zu haben, die mit denen von Bewag-Klassik vergleichbar seien. Nicht zuletzt sorgt die technische Seite für Verwirrung, besonders die Frage, wie denn der Biostrom in den betreffenden Haushalt „durchgeleitet“ werden kann. Strom im wörtlichen Sinne durchleiten könne man schon physikalisch nicht, erklärt die BUND-Beraterin, und es sei auch egal: „Es geht darum, wen ich unterstütze. Der Strom, den ich sowieso verbrauche, zahle ich bei einem Ökostromanbieter.“

Wer in Berlin auf einen auswärtigen Anbieter umsteigt, bekommt seinen Strom weiterhin von der Bewag: Der neue Anbieter bezahlt die Bewag und verpflichtet sich gleichzeitig, an einer anderen Stelle ökologischen Strom in der entsprechenden Menge einzuspeisen. Im günstigsten Falle verpflichtet er sich auch, einen bestimmten Prozentsatz der Einnahmen in den Bau neuer regenerativer Energiequellen zu investieren.

Auf solche Unterschiede zielen die Gütesiegel. Einige Stromanbieter besitzen zum Beispiel Wasserkraftwerke, die schon längst abgeschrieben sind. Mit ihnen haben sie schon immer Strom erzeugt, aber erst jetzt mit der Nachfrage nach Ökostrom verkaufen sie ihn als solchen – was nichts weiter heißt, als dass sie ihn einfach ein paar Pfennig teurer anbieten. Ein Paradebeispiel dafür ist das Bayernwerk: „Deren Wasserkraftwerke entstanden schon Anfang des letzten Jahrhunderts“, so Schöffmann. Dort bekommt man zwar Strom aus regenerativer Quelle, aber ein Wechsel zu einem solchen Anbieter bringt keinen Gewinn für die Umwelt – es wird kein Gramm Kohlendioxid weniger produziert.

Das BUND-Strom-Fon ist montags bis donnerstags von 10 – 17 Uhr und freitags von 10 – 13 Uhr unter 78 79 00 48 erreichbar. Auf der BUND-Homepage kann sich jeder für seinen Jahresverbrauch die Preise verschiedener Ökostromanbieter ausrechnen lassen: www.bund-berlin.de