Schienen gucken

Häuser ziehen vorbei: Reiseleiter Buggenhagen führt mit der Panorama-S-Bahn durch die Stadt

Was tut der Schienenfan an einem Samstag- oder Sonntagvormittag? Die neue „Panorama-S-Bahn“ ausprobieren! „Das elegante Ambiente wird Sie begeistern“, weil nämlich: „Sie sitzen in komfortablen Sesseln“ (rote samtige Kissen und komplett drehbar), in den „vollverglasten“ Waggons und „ein Reiseleiter erläutert die vorbeiziehenden Sehenswürdigkeiten“. Das verspricht das Faltblatt mit den Fotos von Familien mit Videokamera.

Der Reiseleiter heißt Gerhard Buggenhagen und berlinert sich während der Rundfahrt vom Ostbahnhof über Neukölln, Schöneberg, Charlottenburg, Tiergarten und Mitte lakonisch und allerliebst durch die letzten 500 Jahre Stadtgeschichte. Erzählt von der Rummelsburger Bucht, in der eine Szene des „legendären Films ‚Paul und Paula‘“ gedreht wurde, von der Gründung des Treptower Parks 1786, von dem Neuköllner Hotel Estrel, in dem mal „Wetten, dass . . .?“ aufgezeichnet wurde – „ein wichtiger Steuerzahler, das Hotel!“. Irgendwo auf den S-Bahn-Gleisen zwischen Flughafen Tempelhof und Friedenau kommt eine blonde S-Bahn-Grazie und fragt nach Bestellungen. Rotkäppchen-Sekt, Bier, kalte Getränke? Die Berliner Familien und Touristengruppen sind begeistert.

Dann weist Herr Buggenhagen auf die Bahnhofstoiletten hin, an denen man gerade vorbeizuckelt. „Hier zog sich der Schuster Voigt um und verließ sie als Hauptmann von Köpenick. Apropos Toiletten“, sagt der Reiseleiter, der übrigens alles auswendig weiß, „ob Sie nun müssen oder nicht – unsere Toilette hier in der Panorama-S-Bahn ist einen Besuch wert, schwarzer geschliffener Marmor an Wänden und Boden.“ Vielleicht später, wenn der Rotkäppchen-Sekt leer ist.

In Schöneberg weiß er, wo das Haus von Marlene Dietrich stand, am Stutti kennt er „eindeutige Etablissements“ und die ehemalige Wohnung der K 1. Der Fahrer in seiner gläsernen Kabine grüßt derweil jeden „normalen“ S-Bahn-Fahrer, der ihm entgegenkommt. Ob ihm die Fahrt mit der Touristenbox aus Glas peinlich ist, oder ob das eine besondere Auszeichnung bedeutet? Nach einer Stunde zuckelt der Zug wieder in den Ostbahnhof ein. Heraus kullern verschwitzte (die Lüftung funktioniert nur in einer Hälfte der rot-silbernen Waggons), angeschickerte und weit gereiste Berliner und Touristen. Schöne Stadt, auch von den Schienen aus gesehen. JENNI ZYLKA

Panorama S-Bahn: jeden Samstag und Sonntag (außer 8. + 9. 7. wg. Love Parade) vom Ostbahnhof (Gleis 10) 10.58 Uhr, 12.28 Uhr, Fahrtdauer 60 Minuten, 65 Plätze. Erwachsene 29 DM, Kinder bis 13 Jahre 16 DM