Das unauslöschliche Bäh

Bayer oder Bayern? Am Schluss ist es eh egal – der Fußball rollt langsam aus. Zum heutigen Ende der Bundesliga-Saison 1999/2000 ein Blick zurück im Zorn

Heute endet eine verkorkste Saison, weil die Alternative Bayer oder Bayern heißt, zwei Übel und ein Unterschied, bei dem es nicht gerade ums Ganze geht. Man möchte weder den tobsüchtigen und veitstanzenden Leverkusener Trainer Christoph Daum sehen noch den wie ein ganzer Rotlichtbezirk anlaufenden Münchner Manager Uli Hoeneß, der stolz auf seine deutsche Wurstfabrik ist. Hatte vielleicht die Tierschutzorganisation PETA Recht, die Hoeneß im Oktober 1999 zum „Botschafter der Wurst“ ernannte?

Dennoch gab es auch schöne und bizarre Momente in dieser Saison. Erinnern Sie sich, wie der kleine drahtige Bixente Lizarazu den nur wenig größeren Lothar Matthäus ohrfeigte, weil der einfach nicht aufhören wollte, ihm die Ohren vollzususen? Oder als der Ulmer Spielmacher Gora „Skandal“ in die Kameras schrie, weil vier Kollegen die rote Karte bekommen hatten, damit Rostock endlich mal ein Spiel gewann und nun in der 1. Liga bleiben darf? Oder als Udo Lattek künstlich wiederbelebt wurde, um für eine Million Dortmund zu retten? Ausgerechnet Udo Lattek, der Mann, dem immer eine Pils-fahne vorausweht, weshalb er zum „Hans Albers der Bundesliga“ ernannt wurde?

Oder als Christoph Daum einen Reporter derart angiftete, sodass jeder live mitbekam, wie ehrgeizzerfressen der kleinwüchsige Trainer der Tablettenmannschaft ist, die bundesweit laut Bild noch hinter Cottbus auf dem Abstiegsplatz 18 der Beliebtheitsskala steht? „Wir wollen einen Endkampf für die Liga“, plärrte es aus seinem Strohkopf, während er sich wild entschlossen seine eigene Faust unter die Nase hielt, sodass es nur noch eine Frage der Zeit zu sein schien, bis er in eine geschlossene Anstalt eingeliefert werden würde, weil er einen wenige Tage später an Tollwut dahinscheidenden Schiedsrichter gebissen hatte.

Und dann gab es noch The long Goodbye auf deutsch. Eine Diva nahm Abschied, um in New York mit der Wohlfahrt zu leben. Seit zwanzig Jahren nervt er schon im Fußballgeschäft herum und sagt allen „brutal die Wahrheit“. Er ist der Mann, für den Olaf Thon extra eine Regel erfand: „Jeder sollte mit 35 Jahren aufhören, Fußball zu spielen, außer Lothar Matthäus“. Aber es wurde nicht ruhig. Täglich sprach er über den großen Teich zu uns. Und wie! „Ich bin sicher, dass ich in vier bis sechs Wochen Interviews auf Englisch geben kann, die auch der Deutsche versteht.“ Zum Beispiel nach einer Niederlage der MetroStars: „I hope we can more better.“ That I hope also, antwortete man ihm im feinsten Sonntagsenglisch. Ansonsten war die Liga durch die Wiederkehr des Immergleichen geprägt: Die Bayern gewannen in der Regel nicht aus eigener Kraft, sondern durch die seelsorgerische Hilfe der Gegner, die pfleglich mit den Bayern umgingen und auch todsichere Chancen vergaben, um sie nicht mit einer Niederlage unnötig zu deprimieren.

Dann trieb sich noch ein Verein in der Liga herum, von dem niemand wusste, wie er in die 1. Klasse gerutscht war. Hinten einen doppelten und dreifachen Sicherheitsriegel vorlegen, das ist noch kein Fußball, sondern eine Taktik, die streng nach Oma riecht. Hertha hat denn auch nach dem Gaga-Mann Robert Schwan den zu seinen Pöbelfans passenden Vorstand bekommen: den Verteidigungsminister a. D. Rupert Scholz, der nichts auf der Pfanne hat außer Kommisssprech, was ihn jedoch für den Vorstandsposten bei Hertha ausreichend qualifizierte.

Borussia Dortmund die Stange zu halten wird immer schwerer, seit protzende Niebaums herumposaunten, sie würden die Liga jetzt von oben herab kontrollieren, weil sie glaubten, man müsste nur genügend Millionen auf den Tisch blättern, um international mitmischen zu können. Aber ein Bobic wird nicht deshalb besser, dass man noch ein paar Millionen drauflegt. Durch das trostlose Gehacke der Schwarzgelben kam es schon zu besorgniserregenden Vorfällen: Baut sein Kind Scheiße, tunkt der sonst sehr zurückhaltende Joachim Krol es in selbige und skandiert dabei immer wieder „Bobic, Bobic“, damit es sich unauslöschlich in dessen Gedächtnis einpräge, was wirklich Bäh sei. Im angeblich so spannenden Titelkampf glimmt hingegen nur noch eine schwache Hoffnung: dass Daum es endlich schafft, sich selber aufzuessen, und Calmund durch eine Überdosis Eitelkeit platzt. Dann würde diese Saison vielleicht doch noch zu einem versöhnlichen Abschluss finden. Vermutlich aber ist es so, wie der weise Rudi Völler, ein berühmter Schüler von Konfuzius, zu sagen pflegt: „Zu fünfzig Prozent haben wir es geschafft, aber die halbe Miete ist das noch nicht.“ KLAUS BITTERMANN

Hinweis:

Im angeblich so spannenden Titelkampf glimmt nur noch eine schwache Hoffnung: dass Daum es endlich schafft, sich selber aufzuessen, und Calmund durch eine Überdosis Eitelkeit platzt