Decoder-Detektive

Spannung garantiert abgewürgt: Im Zukunfts-Tatort („Der schwarze Ritter“, So., 20.15 Uhr, ARD) ermitteln die Zuschauer interaktiv mit

Ohne Interaktivität geht es einfach nicht. Das weiß inzwischen auch die gute alte Tante ARD. Und um zu zeigen, dass es den Verantwortlichen des Senders mit den Möglichkeiten der Neuen Medien ernst ist, wagen sie ausgerechnet mit dem Klassiker „Tatort“ den Sprung ins digitale Zeitalter.

Aber wie das eben bei alten Tanten so ist: Wenn sie sich krampfhaft um Modernität bemühen, wirken sie nur noch unbeholfener. So behäbig wie in der Folge „Der schwarze Ritter“ kam das Krimi-Serial schon lange nicht mehr rüber.

Ein Wahnsinn ist das: Da soll das Fernsehen der Zukunft vorgeführt werden, erzähltechnisch landet man jedoch wieder in der Steinzeit. Die lahmen Kombinationsstränge, mit denen in „Der schwarze Ritter“ Mörder dingfest gemacht werden, erinnert jedenfalls an früheste deutsche TV-Produktionen. Da war auch immer noch Zeit für ein Pfeifchen, bevor der Verbrecher in bedächtigen Einlassungen seiner Tat überführt wurden. Die Ludwigshafener Ermittlerin Odenthal, normalerweise von Ulrike Folkerts als emotional überreizte Berserkerin gespielt, geht diesmal jedenfalls ziemlich zimperlich zu Werke.

Schuld daran ist ein Ding names F.U.N.-Box. Mit diesem Decoder der Firma Free Universe Network können zur Zeit 50.000 Zuschauer an interaktiven Sperenzchen teilnehmen.

Langatmige Verbrecherjagd

Zuschauer ohne F.U.N.-Zugang haben am „Schwarzen Ritter“ garantiert keinen Spaß: Weil die Decoder-Besitzer während der Ausstrahlung aktiv an der Verbrecherjagd teilnehmen sollen, werden langatmig Indizien in die Handlung eingestreut, die die F.U.N.-Gemeinde zur Täterergeifung aufsammeln können. Denn der pfiffigste Decoder-Besitzer und Möchtegern-Detektiv erhält im nächsten SWR-„Tatort“ eine tolle Statistenrolle.

Diese Publikumsbeteiligung ist zwar nett gemeint, bringt Menschen ohne Box aber gar nichts. Im Gegenteil: Auf Dauer wirkt es einschläfernd, dabei zuzuschauen, wie die sonst so intuitive Odenthal ein altkluges Aha-Lächeln aufsetzt, wenn sie mal wieder eine neue heiße Spur entdeckt hat. Zurückgestellte Uhren, Mitteilungen auf Papierfetzen, versteckte Mordwaffen – die Indizien-Ansammlung, die mal den einen und mal den anderen verdächtig erscheinen lässt, wirkt arg konstruiert. Und für präzise Charakterzeichnungen bleibt in diesem umständlichen Whodunit sowieso kein Platz.

Dabei hätten Setting und Figuren einiges hergegeben, denn gemordet wird diesmal in einem großen Vergnügungspark. Doch all die ulkig grimassierenden Clowns und dämonisch dreinblickenden Magier üben keinen Zauber aus; sie existieren nur, um die nächste Fährte im Täterrätsel auszulegen. Allenfalls Eva Mattes sorgt für ein paar vergnügliche Minuten – wenn sie auch als notgeiles Varieté-Muttchen ein bisschen zu dick aufträgt.

So gehört die beste Szene von „Der schwarze Ritter“ der Kommissarin: Ganz am Anfang sieht man, wie Odenthal auf einen Axtmörder zielt, der schreiend auf sie zuläuft. Die Ermittlerin schießt, die Bewegungen des Amokläufers frieren ein – das ganze war bloß eine Übung vor der Videoleinwand. Gleichzeitig hinterlässt diese Sequenz eine Ahnung davon, wie interaktives Fernsehen aussehen würde, wenn der Betrachter wirklich Einfluss auf die Bildgestaltung nehmen könnte. Aber das ist Zukunftsmusik, die mit diesem Tatort nichts zu tun hat: Der ist nur eine ermüdende virtuelle Schnitzeljagd. CHRISTIAN BUSS