DEUTLICHE MEHRHEIT IN US-STAAT FÜR ABSCHAFFUNG DER TODESSTRAFE
: Historisches Votum

Die 3.600 Insassen der Todestrakte in den USA haben seit gestern Grund, neuen Mut zu schöpfen. In New Hampshire, einem kleinen, erzkonservativen Neuenglandstaat, beschloss das Parlament mit deutlicher Mehrheit in beiden Kammern, die Todesstrafe abzuschaffen. Ein wichtiger Erfolg für den Protest gegen das barbarische Töten im staatlichen Auftrag, das in anderen Teilen der USA mit wachsender Häufigkeit praktiziert wird – in Texas etwa, wo Präsidentschaftskandidat George W. Bush bereits 127 Hinrichtungsbefehle unterzeichnet hat. In New Hampshire ist seit 1939 niemand mehr exekutiert worden, und gegenwärtig ist dort auch niemand zum Tode verurteilt. Die republikanische Gouverneurin Jeanne Shaheen hat zwar angekündigt, den Beschluss des Parlaments mit ihrem Veto nichtig zu machen. Dennoch sprechen Todesstrafengegner von einem „historischen Votum“. Vor vier Jahren war die Abschaffung der Todesstrafe in New Hampshire noch klar gescheitert, jetzt hoffen liberale Politiker nach den Novemberwahlen auf eine vetosichere Mehrheit.

Hintergrund ist die Debatte, die George Ryan, der Gouverneur von Illinois, im Januar ausgelöst hatte. Nachdem in seinem Staat etliche zu Unrecht zum Tode Verurteilte freigelassen werden mussten, verkündete er ein Hinrichtungsmoratorium und eine grundsätzliche Überprüfung des Verfahrens. Die Debatte geht nun nicht mehr darum, wie sich Bürger gegen gewalttätige Verbrecher schützen können, sondern um die Frage, ob man verantworten könne, dass Unschuldige auf dem elektrischen Stuhl landen.

Immerhin haben sich seit 1973 87 Todesurteile als Fehlurteile herausgestellt. Die offensichtlichsten Ursachen – schlampige Beweisführung der Anklage und inkompetente Pflichtverteidiger – will jetzt auch ein Gesetzentwurf im US-Kongress ausschalten. Dem Ruf nach einem Moratorium haben sich Politiker und Bürger in vielen Staaten angeschlossen – so auch in Philadelphia, wo der schwarze Journalist Mumia Abu-Jamal trotz schwerer Zweifel an seiner Schuld weiter von der Hinrichtung bedroht ist. STEFAN SCHAAF