Alle loben Fischer

Im Bundestag sitzen keine Parteien, nur noch Europäer. CDU: Fischer ist CDU. PDS: Fischer ist „anziehend“. FDP: Fischer ist „bemerkenswert“

BERLIN dpa/rtr ■ Breites Lob im Bundestag hat Außenminister Joschka Fischer für seinen Vorschlag über die Schaffung einer europäischen Föderation erhalten. Fischer habe mit seiner Rede vor einer Woche eine überfällige Debatte in Gang gebracht, erklärten Union, FDP und PDS gestern in einer Aktuellen Stunde.

Fischer selbst sagte, angesichts der unverzichtbaren Ost-Erweiterung der EU müsse bereits jetzt die Diskussion über das Fernziel beginnen, wie die volle Integration aussehen soll. Diesen Prozess habe er mit seiner Rede anstoßen wollen. Er habe dafür keine fertigen Konzepte, sei jedoch davon überzeugt, dass man mit den alten Methoden nicht weiterkomme, sagte Fischer, der ausdrücklich betonte, er spreche diesmal als Außenminister.

Die Opposition hatte es zuvor als unverständlich bezeichnet, dass Fischer seine Rede in Berlin als Privatmann und nicht als Minister gehalten habe. Der Minister verwies auf den früheren Außenminister Hans-Dietrich Genscher, der ähnlich verfahren sei, um neue politische Ideen in die Öffentlichkeit zu bringen. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Lamers, erklärte ebenso wie FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle, Fischer verdiene ausdrückliche Anerkennung für seinen bemerkenswerten Vorstoß. Der Außenminister sei bei der Programmatik der Union angelangt, meinte der CDU-Abgeordnete Peter Hintze. Für die PDS bezeichnete ihr Abgeordneter Wolfgang Gehrcke Fischers „Zukunftsvision“ als anziehend. Er plädierte für eine gemeinsame europäische Staatsbürgerschaft. SPD und Grüne erwarten von Fischers Vorstoß einen „enormen Schub“ in Europa.

Der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses der EU, Elmar Brok (CDU), hat die Zielrichtung der Fischer-Rede ebenfalls begrüßt. Er kritisierte im Deutschlandfunk zugleich zwei Punkte. Wenn Fischer bei den institutionellen Bereichen ins Detail gehe, sei dies nicht stimmig. Außerdem habe er die „aktuellen Hausaufgaben“ vergessen, nämlich die „Schlüsselfrage“ der Ausdehnung von Mehrheitsentscheidungen. Die schnelle Verwirklichung eines Kerneuropa leige nicht unbedingt im strategischen Interesse Deutschlands.

Bei vielen EU-Mitgliedstaaten stößt Fischers Vorstoß auf Ablehnung. Nach Großbritannien, Irland Finnland und Österreich äußerte sich jetzt auch Portugal, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, skeptisch. Europastaatssekretär Francisco Seixtas de Costa sagte, Fischers Rede sei ein „wichtiger Beitrag“, aber alle Regierungen Portugals seien gegen eine Föderation gewesen.

Im französischen Rambouillet sollten gestern abend Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer mit ihren französischen Kollegen über die Zukunft Europas sprechen.