Das Imperium schlägt wieder zu

■ Der THW Kiel wird durch das 22:18 gegen Lemgo zum neunten Mal Deutscher Meister

Das Imperium hat wieder zugeschlagen. Mit dem 22:18 gegen den TBV Lemgo krönte der THW Kiel am Sonntag beim Saisonfinale der Handball-Bundesliga eine fulminante Aufholjagd und brachte seinen neunten Meistertitel seit 1957 unter Dach und Fach. In der olympischen Seglerstadt steht „Kieloben“ nicht für Schiffbruch, sondern für eine einmalige Erfolgsserie: Zum sechsten Mal innerhalb der vergangenen sieben Jahre knallten in der Ostseehalle die Champagnerkorken und zum dritten Mal in Serie feiert die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt das Double. „Wir haben mal wieder den Mythos gepflegt, dass wir immer die Nase vorn haben“, jubelte Manager Uwe Schwenker. „Wir haben eine tolle Saison gespielt, dass wir jetzt noch Meister werden, krönt ein schönes Jahr“, meinte Trainer Zvonimir Serdarusic.

Wie schon im Vorjahr überholte der THW in einem grandiosen Endspurt kurz vor der Ziellinie die SG Flensburg-Handewitt, die zeitweise mit fünf Punkten führte, aber vor der Aufholjagd der Kieler förmlich erstarrte wie das Kaninchen vor der Schlange. „Eigentlich hatte ich den Titel schon abgehakt“, sagte Schwenker, dann schlugen seine alten Schweden wieder zu.

Das Bayern München des Handballs feiert die Feste wie sie fallen – und steckt auch bittere Nackenschläge mit bewundernswerter Souveränität weg: Drei Wochen nach dem unglücklich verlorenen Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona schwappte wieder eine Welle der Euphorie durch den wie immer mit 7250 Fans ausverkaufte Ostseehalle. Ohne seine Spielmacher Daniel Stephan und Andrej Siniak war Lemgo auch als auswärtsstärkstes Team kein wirklicher Prüfstein mehr für den THW. Mit jeweils sieben Treffern taten sich Nikolaj Jacobsen und Staffan Olsson als beste Werfer hervor. Nach dem Schlusspfiff tanzten die THW-Anhänger und -Spieler Polonaisen über das Parkett. Uli Strombach, Präsident des Deutschen Handball-Bundes überreichte Kapitän Magnus Wislander die Meis-terschale. Auf dem Rathausplatz feierten schon traditionell wieder Tausende Fördestädter vor einem Großbildschirm ihre Mannschaft.

Aus Kiels Jungsenioren-Team, dessen Erfahrung, Cleverness und Kaltblütigkeit einen großen Teil der Qualität ausmacht, ragte wieder einmal einer besonders heraus: Magnus Wislander sagt von sich: „Ich gehöre zu denen, die nicht gut verlieren können.“ Der 36-jährige Spielführer, der zugleich sein zehnjähriges Dienst-Jubiläum beim THW feiert, warf wieder einmal seine Entschlossenheit und seine einmalige taktische Intelligenz in die Waagschale, mit der er auch die schwedische Nationalmannschaft zu zwei WM-Titeln geführt hatte. Unübersehbar profitierte das THW-Uhrwerk auch davon, dass zu Wislander und seinem Landsmann Olsson (36) vor der Saison mit Stefan Lövgren (29) noch ein dritter Weltmeister ins Zebra-Trikot geschlüpft war. „Beim THW habe ich gelernt, schwedisch zu spielen“, sagt der Däne im THW-Trikot, der Weltklasse-Linksaußen Nicolaj Jacobsen.

Mit einem Altersschnitt von 31 Jahren wurde die älteste Mannschaft der Bundesliga wieder einmal die beste. Trotz aller voreiligen Nachrufe auf das angeblich überalterte Team wartete die Konkurrenz vergeblich auf einen konditionellen Kollaps des Abonnement-Meis-ters, dessen jüngster Stammspieler – der norwegische Nationaltorhüter Steinar Ege – schon 28 Jahre alt ist und der sich auch von den extrem schwankenden Leistungen von Nenad Perunicic nicht aus der Erfolgsbahn werfen ließ.

Der kroatische Trainer Zvonimir Serdarusic (49) hat an der Kieler Förde seit 1993 einen modernen Handball-Mythos geschaffen, der sich nach sechs Meistertiteln in sieben Jahren auch mit den Glanzzeiten des VfL Gummersbach in den 60er und 70er Jahren oder des TV Großwallstadt zwischen 1978 und 1984 messen kann. Und last but not least liefern die 7250 Zuschauer in der Ostseehalle, eine „geschlossene Gesellschaft“ von lauter Dauerkarten-Inhabern, die wirtschaftliche Basis für den anscheinend ewigen Höhenflug des THW. Kiel kann sich die teuersten Eintrittspreise und mit Einnahmen von weit über 5 Millionen Mark auch den höchsten Etat der Bundesliga leisten. „Wir haben vielleicht nicht die teuerste Mannschaft der Liga, aber wir können am besten kalkulieren“, sagt Manager Uwe Schwenker, früher Linksaußen im Team und jetzt effektiver Spielmacher des THW am grünen Tisch. Olaf Krohn