„21“ nachhaltig eingeschlafene Füße

■ Der Bremer „Agenda 21“-Prozess für nachhaltige Stadtentwicklung liegt im Koma / Frustrierte Engagierte: Kein Geld vom Staat und und keine institutionelle Verankerung

Der Agenda 21-Prozess in Bremen ist tot – es lebe der Agenda 21-Prozess. Nach fast einem Jahr Stillstand in dem Projekt, in dem es um eine „nachhaltige Stadtentwicklung“ geht, soll nun Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD) den Vorsitz des zentralen „Runden Tisches“ übernehmen. Henning Scherf, der bisher den Vorsitz des Gremiums inne hatte, will nicht mehr – offiziell, weil die Koordination in der Bürgerschaft besser aufgehoben sei. Doch für Scherf wurde die Agenda eher zur politischen Last.

Problem Nummer eins: Die vielen ehrenamtlichen Beteiligten des Runden Tisches oder der zahlreichen Unter-Arbeitsgruppen sind mehr als demotiviert. Vier Jahre nach Beginn des Agenda-Prozesses liegt nur ein „Aktionsprogramm Lokale Agenda 21 – Erste Schritte“ vor. „Hundert Menschen haben an dem Programm gearbeitet, und jetzt liegt es in der Schublade“, beklagt sich etwa Peter Müller vom Naturschutzverband BUND. Andere beklagen „unendliche Laberrunden“. Der Runde Tisch traf das letzte Mal im März 1999 zusammen, drei abschließende Workshops im Herbst waren für viele Aktive ernüchternd, weil Forderungen für konkrete Umsetzung verwässert wurden. Seitdem, sagt ein Beteiligter „ist die Luft raus“.

Problem Nummer zwei: Geld für den Agenda Prozess ist nirgends eingeplant. Bis 1998 gab es jährlich immerhin 125.000 Mark, um Projekte wenigstens mit bis zu 5.000 Mark anzuschieben. Die Grünen fordern mehr als eine Millionen Mark für weitere Projekte. Im neuen Haushalt ist allerdings keine müde Mark vorgesehen. Zudem liefen seit letztem Jahr immer mehr ABM-Stellen aus, die für den Agenda-Prozess geschaffen wurden – und wurden nicht neu beantragt.

Problem Nummer drei: Bürgerschaftspräsident Weber will den Vorsitz nur unter bestimmten Bedingungen übernehmen. Ein geschäftsführendes Agenda-Büro soll personell ausreichend ausgestattet und die offenen Fragen vorher „abgearbeitet“ werden. Wann das geschieht, steht in den Sternen.

Problem Nummer vier: Mit dem bisher geltenden „Konsensprinzip“ unter den 27 Beteiligten am Runden Tisch werden viele Beschlüsse verwässert. Mehrheitsentscheidungen müssten eingeführt werden, fordern inzwischen viele. Doch Institutionen wie die Handelskammer haben Angst, dann von den Öko-Verbänden überstimmt zu werden. Zudem sehen einige die hohe Zahl der Beteiligten als Problem – andere fordern, weitere Institutionen einzubinden. Wohin die Reise geht, ist offen.

Die zwei behördlichen Ansprechpartner in Sachen Agenda 21 winden sich in einer Mischung aus Zweckoptimismus und Skepsis. „Ich höre auch immer wieder Stimmen, die sagen: Das ist politisch gar nicht gewollt“, räumt Gunther Hilliges ein, Leiter des Landesamtes für Entwicklungszusammenarbeit. „Irgendwann kann das umkippen und zu einer Alibi-Pflichtübung werden, die niemanden mehr interessiert“. Auch Rita Kellner-Stoll, Abteilungsleiterin im Umweltressort, räumt ein, dass die Agenda „bei den Politikern als Aufgabe nicht mehr obenauf liegt“. Allerdings bestreiten beide, dass der Prozess schon tot sei – auf Projektebene sei noch sehr viel Aktivität zu verzeichnen.

Umweltsenatorin Tine Wischer (SPD) wünscht sich nun, dass sich in Zukunft alle Ressorts an den Kosten beteiligen, da „Nachhaltigkeit“ der Politik eine Aufgabe aller sei. Dass die bislang fehlende Finanzierung durch staatliche Mittel ein Problem sei, glauben aber weder Gunther Hilliges noch Rita Kellner-Stoll. Ihre Meinung: Es gäbe durchaus Möglichkeiten, die Bürokosten des Agenda-Prozess es zu finanzieren, ohne eine feste Summe im Landes-Haushalt zu reservieren. pipe / cd