„Wir schlittern in eine Krise“

Die Bundeswehrreform und die Grünen: Claudia Roth, Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, warnt vor einer Verquickung von ziviler und militärischer Krisenintervention. „Der Ausnahmefall Kosovo darf nicht zum Prinzip werden“

Interview PATRIK SCHWARZ

taz: Die Bundeswehr soll für ihre Auslandseinsätze künftig nicht mehr selbst bezahlen. Statt aus dem Verteidigungshaushalt soll das Geld für „nicht planbare“ Missionen aus anderen Töpfen kommen, fordert die Wehrstrukturkommission. Eine richtige Entscheidung?

Claudia Roth: Nein, so geht das nicht. Rot-Grün hat sich eine zivile und präventive Außenpolitik auf die Fahnen geschrieben. Mit einer Auslagerung der Kosten aus dem Verteidigungshaushalt würde Rot-Grün das falsche Signal setzen: Künftig würden die Ausgaben für Militäreinsätze zu Lasten der zivilen Konfliktprävention gehen.

Warum?

Es gibt bekanntlich den strikten Sparkurs von Finanzminister Eichel. Das Außenministerium und das Entwicklungshilfeministerium, die beide Krisenprävention und -deeskalation betreiben, sind bis an den Rand ihrer Möglichkeiten belastet. Da kann man diesen Häusern nicht Militärausgaben aufbürden, sonst fehlt das Geld für zivile Politik.

Im Kosovo-Krieg wurden die Bundeswehreinsätze auch nicht allein aus dem Verteidigungs-Etat bezahlt.

Der Ausnahmefall Kosovo darf nicht zum Prinzip erhoben werden. Die politische Lehre aus dem Kosovo muss doch lauten: Wir müssen Krisen im Vorfeld verhindern und dadurch vermeiden, dass irgendwann die militärische Intervention als einziger Ausweg erscheint.

Wenn es aber zu Militärinterventionen kommt, kosten sie nun mal Geld.

Ja, aber man kann nicht sagen, jedes Ministerium hält sich an den Sparkurs, nur Herrn Scharping werden zusätzliche Gelder zugeschustert. Es geht vielmehr um ein Umdenken in der Außenpolitik. Wenn die rot-grüne Bundesregierung glaubhaft eine Zivilisierung der Außenpolitik betreiben will, muss sie beweisen, dass es ihr ernst ist. Sie muss im Kreis der Geldgeber für Organisationen wie das UN-Flüchtlingshilfswerk ganz vorne dabei sein. Leider ist im Moment trotz Rot-Grün das Gegenteil der Fall.

Die Regierung argumentiert, auch Militäinterventionen dienten humanitären Zielen.

Es gibt die schleichende Tendenz, Soldaten als die besseren Helfer darzustellen. Das ist inhaltlich falsch und politisch gefährlich. Aus dem Kosovo und der Flutkatastrophe in Mosambik kann man nur die Schlussfolgerung ziehen, ganz klar zwischen militärischer und humanitärer Intervention zu trennen.

Joschka Fischer und Rudolf Scharping scheinen aber gerade mit ihren Jungs auf dem Balkan besonders zufrieden gewesen zu sein.

Dabei übersehen beide, dass Flüchtlingslager, die von Soldaten betreut werden, weit mehr gefährdet sind als Camps von zivilen Organisationen. Soldaten werden in Krisen als Kombattanten angesehen und können Angriffe auf sich und Menschen ziehen, die sie schützen sollen.

Was werden Sie Joschka Fischer sagen?

Ich wünsche mir, dass er seine Ansprüche in den Haushaltsberatungen der nächsten Wochen sehr massiv verficht. Der Anspruch an Außenpolitik ist unter Rot-Grün größer geworden – aber das Geld ist weniger geworden. Wir schlittern in eine Glaubwürdigkeitskrise.