Krieg kostet künftig extra

Wehrstrukturkommission empfiehlt, Verteidigungsetat von den Kosten für Kriseneinsätze der Bundeswehr zu befreien. Grüne Claudia Roth sieht zivile Konfliktprävention in Gefahr

BERLIN taz ■ Bisher hat die Wehrstrukturkommission vor allem mit ihren Vorschlägen für eine Reduzierung der Bundeswehr auf 230.000 Mann Aufsehen erregt. Doch das Gremium unter Vorsitz von Richard von Weizsäcker wird am Dienstag einen weiteren umstrittenen Vorschlag präsentieren: Wie die taz aus Regierungskreisen erfuhr, sollen Einsätze der Bundeswehr in Krisenfällen künftig nicht mehr im Rahmen des Verteidigungsbudgets finanziert werden.

Der Vorschlag orientiert sich offenbar an der Praxis während des Kosovokriegs. Bereits damals hatte sich Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) geweigert, die Kosten für den Bundeswehreinsatz komplett aus dem laufenden Etat seines Hauses zu bestreiten.

Mit dem Vorstoß erhält der Parteienstreit über den künftigen Charakter der Armee neue Nahrung. Kritiker bemängelten an den bisher bekannt gewordenen Konzepten der Kommission, sie zielten auf die Umwandlung der Bundeswehr in eine Interventionsarmee.

Dieses Argument erhält Auftrieb durch die Forderung der Kommission nach einer Auslagerung der Kosten für Militäreinsätze. Damit würde festgeschrieben, dass Mehrausgaben für so genannte nicht planbare Missionen nicht zu Lasten der Bundeswehr gehen dürfen. Sie müssten vielmehr durch Einsparungen in anderen Ministerien oder durch eine höhere Verschuldung aufgefangen werden.

Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), kritisiert im taz-Interview den Vorschlag. „Mit einer Auslagerung der Kosten aus dem Verteidigungshaushalt würde Rot-Grün das falsche Signal setzen“, sagt sie, „künftig würden die Ausgaben für Militäreinsätze zu Lasten der zivilen Konfliktprävention gehen.“ Roth warnt mit Blick auf das Ziel einer zivilen Außenpolitik der rot-grünen Bundesregierung: „Wir schlittern in eine Glaubwürdigkeitskrise.“

Das Außen- und das Entwicklungshilfeministerium seien durch das Sparpaket von Finanzminister Eichel bereits zu Einschnitten gezwungen worden. „Man kann nicht sagen, jedes Ministerium hält sich an den Sparkurs, nur Herrn Scharping werden zusätzliche Gelder zugeschustert“, sagt die Abgeordnete.

„Der Anspruch an Außenpolitik ist unter Rot-Grün größer geworden – aber das Geld ist weniger geworden“, bilanziert Roth. Außenminister Joschka Fischer müsse den Finanzbedarf seines Ministeriums in den Haushaltsverhandlungen „massiv“ verfechten.

Die Kommission schlägt die Auslagerung der Kriegskosten offenbar als Teil einer systematischen Bereinigung des Verteidigungshaushalts vor. Danach sollen künftig auch die Kosten für Investitionen von den Personalausgaben getrennt werden – allerdings weiterhin unter demselben Etatdach. Auf diese Weise, so die Hoffnung der Kommission, könnte der Wildwuchs der Personalausgaben zu Lasten der Investitionen besser begrenzt werden.

Welche Teile des morgen offiziell präsentierten Berichts die Bundesregierung umsetzt, ist ungewiss. SPD-Fraktionschef Peter Struck bezeichnete die vorgeschlagene Reduzierung der Armee als „verfassungsrechtlich sehr problematisch“. Mit einer Zahl von 30.000 Wehrpflichtigen könne eine allgemeine Wehrpflicht nicht aufrechterhalten werden. PATRIK SCHWARZ

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