Der Blätterwald und seine Parasiten

PR gewinnt immer mehr Einfluss auf die Presse, und die dpa hält das für eine „Stärkung der Demokratie“

MÜNCHEN taz ■ Statt den knapp 200 versammelten Public-Relations-Fachleuten und Journalisten lang und breit vom „Verständnis von Journalismus und PR“ zu erzählen, machte Susanne Knorre es einfach vor: Die Leiterin der Preussag-Konzernkommunikation schwärmte vom Wandel des Energieversorgers zum Dienstleistungskonzern, den rechtlichen Rahmenbedingungen einer AG – und alle hörten gnädig zu.

Auch Stephan Ruß-Mohl, Publizistikprofessor an der FU Berlin und Knorres Vorredner beim Münchner Journalistentag des Deutschen Journalistenverbandes, der gerade eigentlich eine „parasitäre“ Beziehung zwischen Presse und PR diagnostiziert hatte: Die PR braucht Journalisten, um ihre Botschaften über eine glaubwürdige Quelle zu vermitteln, die Journalisten lechzen nach fertig gestrickten Informationen und zahlen dafür mit Aufmerksamkeit.

Problematisch ist diese Symbiose schon deshalb, weil die Kriterien, nach denen Aufmerksamkeit verteilt wird, nicht offen liegen und weil der, der sich professionelle PR nicht leisten kann, in der Öffentlichkeit kaum noch vorkommt. Interessanterweise sehen Journalisten selbst das gar nicht so kritisch. Sergej Lochthofen, Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen, und Franz Smets, Leiter des bayerischen Landesbüros der Deutschen Presseagentur (dpa) konnten sich beide vor PR-Entspanntheit gar nicht einkriegen. Lochthofen: „Heute ist für Jugendliche reine Produktinformationen über Snowboards nicht Werbung, sondern wertvoll, das ist einfach Realität.“ Besorgnis erregend sei das nicht: „Redaktionen werden zwar eher ab- als ausgebaut, aber wir haben doch eine gut funktionierende mentale Selektion.“ Davon war auch Smets überzeugt: „90 Prozent des bei uns von Pressestellen reinkommenden Materials wird nicht verwandt“, ja der Agenturjournalist sah „vernünftige Pressearbeit“ nachgerade als „eine Stärkung der Demokratie“.

Das muss er auch, denn schließlich hat dpa vor kurzem ein eigenes PR-Standbein etabliert, das noch kräftig ausgebaut werden soll: Der ots-Dienst bringt allen dpa-Abonnenten Pressemitteilungen über den gleichen Draht, der auch die Agenturmeldungen ausspuckt. Die redaktionelle Verantwortung für ots liegt bei den zahlenden Unternehmen, dpa spendiert das gute Image und hält dafür kräftig die Hand auf.

In der Praxis funktioniert das tatsächlich, denkt man den hinterfragenden Journalisten, der sich Zusatzinformationen über eigene, unabhängige Kanäle verschafft, als Ergänzung dazu. Doch von den versammelten PR-Strategen und Medienmenschen hielt nur der Pressesprecher der Stadt Wilhelmshaven, Michael Konken, das Banner des kritischen Journalisten hoch. Er sah keine Normalität im Verhältnis zwischen PR und Presse, sondern allein das „Verschwinden kritischer Frager“. Da musste Preussag-Sprecherin Knorre widersprechen: „Ein intensives Gespräch mit einem Pressesprecher hat doch auch was mit kritischer Recherche zu tun.“ KONRAD LISCHKA