Rein und fein raus

Britisches Militär präsentiert Plan für Sierra Leone: Abzug – aber vorher noch schnell eine Armee bauen

BERLIN taz ■ Das britische Kabinett wird heute über eine Abzugsstrategie für die britische Eingreiftruppe in Sierra Leone beraten. Nach Presseberichten hat die Armee einen Plan vorgelegt, wonach die Briten in dem westafrikanischen Bürgerkriegsland die Regierungsarmee im Schnellverfahren neu ausrüsten und ausbilden wollen, so dass in sechs Wochen drei einheimische Elitebataillone für einen Angriff auf die von der Rebellenbewegung RUF (Vereinigte Revolutionäre Front) beherrschten Diamantenfördergebiete im Osten Sierra Leones zur Verfügung stehen.

Nach diesem Zeitplan könne die britische Truppe innerhalb von sechs Wochen aus Sierra Leone abziehen, heißt es in den Berichten, die offensichtlich auf Informationen auf Militärkreisen beruhen. Es ist jedoch kaum zu erwarten, dass die Briten tatsächlich gehen, bevor sie die Bildung einer kampffähigen Armee in Sierra Leone tatsächlich erfolgreich vollzogen haben. Erfahrungsgemäß dauert so etwas eher Jahre als Wochen.

Großbritannien hatte in der zweiten Maiwoche etwa 1.500 Soldaten nach Sierra Leone entsandt, nachdem dort mehrere hundert UN-Blauhelmsoldaten von der RUF gefangen genommen worden waren. Anstatt, wie offiziell angekündigt, Ausländer zu evakuieren, griffen die Briten aktiv in den neu aufgeflammten Bürgerkrieg ein. So koordinieren sie die laufenden Offensiven sierra-leonischer Regierungstruppen gegen die RUF.

Militär und Staatsapparat von Sierra Leone werden heute praktisch von Briten geführt. Britische Staatsbürger leiten den Zoll und den Hafen von Freetown, kommandieren die Polizei und besetzen hohe Beamtenposten in mehreren Ministerien, etwa im Finanzministerium. Sierra-leonische Regierungssoldaten tragen gebrauchte britische Uniformen, essen britische Armeerationen und kämpfen mit britischen Waffen. Britische Ausbilder sind auch bei der gefürchteten Kamajor-Miliz aktiv, einem regierungstreuen traditionellen Kampfbund, dessen zumeist minderjährige Kämpfer zahlreicher Menschenrechtsverletzungen verdächtigt werden.

Wie groß die Aufgabe ist, die den Briten mit Sierra Leones Armee bevorsteht, wurde gestern deutlich, als aus Freetown der Tod zweier nigerianischer Blauhelmsoldaten gemeldet wurde. Sie wurden bei einem Gefecht mit Angehörigen einer Armeefraktion getötet, die der heute auf Regierungsseite kämpfende Exputschist Johnny Paul Koroma anführt. Die RUF ließ unterdessen 54 ihrer gefangenen Blauhelmsoldaten frei und hält jetzt noch 270 fest. DOMINIC JOHNSON