Volksrepublik der Volkswagen

Autokonzerne wittern Gewinn, Umweltschützer die Katastrophe, wenn Chinas Bürger im großen Stil aufs Auto umsteigen. Bislang dominiert VW das Geschäft

SHANGHAI/HONGKONG taz ■ Manfred Heinze ist optimistisch. Zwar räumt der stellvertretende Chef von Shanghai Volkswagen ein, dass es in einem offenen Markt kaum möglich sein wird, VWs bisherigen Marktanteil in China von 54 Prozent zu halten. Trotzdem hoffen die Wolfsburger, in der Volksrepublik noch mehr Autos zu verkaufen als bisher. Stolz präsentiert Heinze dem Besucher das neue VW-Werk III vor den Toren der Stadt. Statt auf arbeitsintensive Billigproduktion wird hier ganz auf Hightech aus Deutschland und anderen Industrieländern gesetzt. In der hellen Werkshalle ist es so sauber, als handle es sich um ein Krankenhaus und nicht um eine Fabrik. „Das ist die modernste Autofabrik in Asien“, schwärmt Heinze. Seit März wird hier der neue Passat produziert. Bis Jahresende will man 30.000 Fahrzeuge bauen, später soll die Jahreskapazität 150.000 betragen.

Die Einführung des Passat ist Teil einer drei Milliarden Mark teuren Offensive, mit der sich der deutsche Konzern auf die Öffnung des chinesischen Automarkts im Rahmen des Beitritts zur Welthandelsorganisation (WTO) vorbereitet. Neben der Einführung neuer Modelle soll vor allem das Marketing verbessert werden. Dazhong qiche, so der chinesische Name von Volkswagen, hatte 1985 im Reich der Mitte mit der Joint-Venture-Produktion des inzwischen völlig veralteten Santana begonnen. Heute dominiert der Wagen das Straßenbild der meisten chinesischen Städte. Von den 571.000 Pkws, die 1999 im Reich der Mitte verkauft wurden, stammen 315.000 aus den zwei Joint Ventures von VW und Audi.

Chinas WTO-Verträge sehen die Senkung der Einfuhrzölle für Autos und Fahrzeugteile von derzeit 80 bis 100 Prozent auf 25 Prozent im Jahr 2007 vor. Das senkt die Autopreise. Vor allem Importe aus den Nachbarstaaten Japan und Korea werden zunehmen. „Für 2005 gehen wir von einem Pkw-Markt von einer Million aus“, sagt VW-Manager Heinze.

Chinas Autokäufer waren bisher zu zwei Dritteln Behörden, Staatsbetriebe, Kollektive und Taxiunternehmen. Sie alle legen Wert auf große Autos. Doch schon bald könnte aus dem Kader- ein Pivatkundenmarkt werden. Der WTO-Beitritt wird auch den Autokauf selbst verändern. Kreditfinanzierung und Leasing waren bisher fast unbekannt und dürften stark zunehmen.

Die neuen Privatkunden wollen preiswerte und kleine Modelle nachfragen. VW bekam den Zuschlag zum Bau eines „Familienwagens“ auf Basis des Lupo, der ab 2002 zum Preis von 100.000 Yuan (22.800 Mark) vom Band rollen soll. Neben VW haben auch andere Autokonzerne Joint Ventures gegründet. General Motors und Honda eröffneten im vergangenen Jahr Autofabriken in Shanghai und Guangzhou (Kanton). Daihatsu, Citroën, Suzuki und DaimlerChrysler sind schon länger präsent. Jetzt erhoffen sich die Autokonzerne, die mit Ausnahme von VW in China rote Zahlen schreiben, vom WTO-Beitritt den Durchbruch.

„Wenn Chinas Autonachfrage anzieht, wird das viele Probleme schaffen, nicht nur für China, sondern für die ganze Welt“, meint Ho Wei Chi, der Chef von Greenpeace China in Hongkong. Abgesehen davon, dass der Volksrepublik für mehr Autos schlicht die Straßen fehlen, sind schon heute sieben von zehn Städten mit der weltweit höchsten Luftverschmutzung in China. Ho ist sicher: „China braucht ein Energiesparauto.“

Greenpeace versuchte bereits 1997, der chinesischen Autoindustrie eine neue Motortechnik für ein Energiesparauto schmackhaft zu machen. Mit einem Prototyp besuchten die Umweltschützer Automessen in Shanghai und Peking. Doch während es der Umweltschutzorganisation zwei Jahre zuvor gelungen war, die Verantwortlichen von der Einführung FCKW-freier Kühlschränke zu überzeugen, hatte sie mit der Technik für das Drei-Liter-Auto keinen Erfolg. „Wenn wir über einen Wandel in der Autoindustrie sprechen, müssen wir die Politik ändern. Staatspräsident Jiang Zemin muss also eine bestimmte Entscheidung fällen. Doch dafür reicht der Einfluss von Greenpeace in China nicht“, sagt Ho ernüchtert. Die kapitalintensive Autoindustrie gilt als strategische Branche für den Aufbau des Landes. Für Experimente fehlt der Mut. „Wäre das Energiesparauto schon in einem anderen Land serienmäßig produziert worden, hätte uns das geholfen“, sagt Ho.

SVEN HANSEN