Der linke Nationalist

„Mund halten oder zurücktreten“ sagte Chevènement 1991 und trat zurück. Heute hält er den Mund schon wieder nicht

PARIS taz ■ Jean-Pierre Chevènement legt Wert auf Französisch. Wer dem französischen Innenminister auf Englisch daherkommt, wird sofort korrigiert. Als ein Journalist auf einer Pressekonferenz nach dem Stand der Entwicklung einer europäischen „Coast Guard“ fragt, fällt ihm Chevènement umgehend ins Wort: „Das kann nicht von mir stammen. Ich spreche französisch.“

Die Franzosen mögen den „linken Nationalisten“ für solche Skurrilitäten. Dafür – und für sein hartnäckiges Durchgreifen gegen Separatisten auf Korsika und anderswo – ist Chevènement auch bei vielen Rechten populär.

Seinen großen Auftritt in der Linken hatte der damalige Verteidigungsminister Anfang 1991. Damals war er nicht mit dem Krieg gegen den Irak einverstanden. Er sagte: „Ein Minister hält den Mund oder tritt zurück“, und verließ seinen Posten. Fälschlicherweise verwechseln viele im Ausland Chevènement seither mit einem Pazifisten. In Wirklichkeit ist er sogar ein vehementer Befürworter des französischen Atomwaffenarsenals.

Seit dem Amtsantritt der rot-rosa-grünen Regierung im Juni 1997 spielt Chevènement die Rolle des Innenministers. Als solcher prägte er eine halbherzige Reform des Einwanderungsrechts. Dazu sorgt der Föderalismuskritiker Chevènement in der mehrheitlich EU-freundlichen Regierung für den Ausgleich. Er ist der linke Nationalist, den Jospin braucht, um die Europaskeptiker in seinem eigenen Lager nicht auf dem Weg nach Brüssel zu verlieren.

DOROTHEA HAHN