Nur im eigenen Saft

SPD-General Müntefering erntet für seine Pläne zur Parteireform Kritik aus eigenen Reihen. CDU-General Polenz für Urwahlen durch Mitglieder

BERLIN taz ■ SPD-Generalsekretär Franz Müntefering stößt mit seiner geplanten Parteireform auf Widerstand beim eigenen Vorstand. Insbesondere das Filetstück, die Vorwahlen unter Beteiligung von Nichtmitgliedern, sind in der SPD-Führungsriege unbeliebt. „Ja, natürlich“ gebe es skeptische Stimmen, sagte Müntefering nach der ersten Sitzung des SPD-Vorstandes, die sich ausführlich mit seinem 10-Punkte-Konzept einer Öffnung der Partei zur Gesellschaft befasste.

Am 19. Juni will der Parteivorstand zwei Kommissionen einsetzen, welche die Reform vorantreiben sollen: Unter Vorsitz von Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin sollen Eckpunkte für die Einführung von Volksbegehren erarbeitet werden. Müntefering wird eine weitere Kommission zu den Vorwahlen leiten.

Der Gedanke der Vorwahlen löste offenbar im SPD-Vorstand die Furcht vor „amerikanischen Verhältnissen“ aus. Der Generalsekretär verteidigte seinen Plan mit dem Hinweis, gerade wer nichts tue, riskiere die befürchtete Amerikanisierung in Form einer immer größeren Kluft zwischen Parteien und Gesellschaft.

Müntefering unterstrich, die Vorwahlen könnten frühestens für die übernächste Bundestagswahl 2006 greifen und müssten mit den anderen Parteien abgesprochen werden.

CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz lehnte das Konzept gestern ab. Die Parteien dürften aus ihrer Verantwortung für die Auswahl des Personals nicht entlassen werden, sagte er. Die Kandidatenauswahl gehöre zu den wichtigsten Mitwirkungsrechten von Parteimitgliedern. Stattdessen könnten alle Mitglieder generell die Möglichkeit bekommen, ihre Bewerber per Urwahl zu bestimmen. Dies erschwere die „Kungelei in Hinterzimmern und Herrenrunden“ und stärke die innerparteiliche Demokratie.

Am Wochenende hatten sich bereits eine Gruppe junger SPD-Bundestagsabgeordneter sowie die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen skeptisch zu den Vorwahlen geäußert, andere Teile des Reformpakets aber begrüßt. Den Parteifunktionären möchte die SPD eigene Strukturen im Internet sowie mehr Schulung für Fernsehauftritte anbieten, für qualifizierte Nichtmitglieder sollen bei der Bundestagswahl 2002 bis zu zehn Listenplätze zur Verfügung stehen.

„Wir wollen die Demokratie unmittelbarer machen“, kündigte Müntefering an. Entsprechende Schritte könne man inzwischen mit mehr Vertrauen tun als in den ersten Jahren nach 1945. Vor dem Hintergrund der gerade erst überwundenen NS-Diktatur, so Münteferings Ansicht, wollten die Parteigründer der Nachkriegsjahre die junge Demokratie durch verfassungsrechtliche Hürden vor möglichen Einschränkungen durch Volksabstimmungen bewahren.

PATRIK SCHWARZ