Gegen die Messe des Kapitalismus

Linke Gruppen in Berlin mobilisieren gegen die Weltausstellung. Doch der Zulauf bleibt bislang aus

Das Vorbild ist Seattle: Als Ende November vergangenen Jahres aufgrund des Drucks von linken und Basisgruppen die Eröffnungssitzung der Welthandelsorganisation WTO gestört wurde, schien sie plötzlich da zu sein – eine globale antikapitalistische, antirassistische und emanzipatorische Massenbewegung gegen die bestehende Weltordnung. Das hofften zumindest viele linke Gruppen in Berlin, die sich seit Jahren mühsam gegen eine globalisierte Weltwirtschaft richten, in der sie die verheerenden Mächte des entfesselten Kapitalismus erkennen.

Und sie hofften: Ein solches Signal wie in Seattle würde es auch in Hannover geben, wo in der kommenden Woche die pompöse Weltausstellung Expo eröffnet wird. Denn, wie eine Internetseite des Aktionsbündnisses „EXPO NO!“ sagt: „Weltausstellungen sind Messen des Kapitalismus – und sie predigen seine Alternativlosigkeit.“ Die Industrie wolle mit der großen Schau „auch im globalen Maßstab Vertrauen in die Problemlösungskompetenz des – heute als alternativlos zu gelten habenden – Kapitalismus“ erzeugen. Seine Gegner müssten da „deutlich machen, dass wir uns eine ganz andere Zukunft vorstellen als die, die sie uns mit der Expo verkaufen wollen“.

Die EXPO-NO!-ZEITUNG schlug einen Weg vor, dieses Anliegen zu vermitteln: „Ziel ist, durch massive Blockaden vom 31. Mai nachmittags bis mindestens 2. Juni morgens den Eröffnungstag der Expo komplett zu verhindern oder zumindest so massiv zu stören, dass niemand mehr drum herum kommt, den Protest gegen die kapitalistische Schau wahrzunehmen.“ Mit „Aktionen rund um die Expo-Eröffnung“ wollen Expo-Gegner „das Ende einer elendigen Phase einläuten, in der der neoliberale Kapitalismus unangefochten dominierte“. Zwar sei keine Revolution zu erwarten. Aber: „Seattle hat gezeigt, dass Widerstand machbar ist.“

Alles nur martialische Rhetorik? Immerhin verwies der Verfassungsschutz der Hauptstadt schon Anfang des Monats auf einen Brandanschlag auf das Auto des Expo-Beauftragten des Landes Berlin: „Bei diesem Brandanschlag handelt es sich um den ersten Anschlag mit Expo-Bezug in Berlin.“ Es wurde einem Bekennerschreiben zufolge von einer Gruppe verübt, die sich selbst „autonome miliz“ nennt. Die Begründung des Anschlags: Die Expo wolle „die Akzeptanz für Rassismus, menschl. Selektion und Verwertbarkeit, Umweltzerstörung und Krieg erhöhen“.

Nun täte man jedoch den Expo-Gegnern unrecht, wenn man glaubte, sie wären nur auf Randale aus und mühten sich nicht um inhaltliche Fundierung ihres Protestes gegen die Schau. So organisiert etwa „Baobab“, ein „Infoladen eine Welt“ in Prenzlauer Berg, eine gut besuchte Vortragsreihe zum Thema.

Zudem versucht der Infoladen den „Expo-Widerstand“ in der Hauptstadt mit liebevoll gemachten Flyern und Internetseiten zu koordinieren. Doch Zahlen darüber, wie viele Gruppen nun bei den Anti-Expo-Aktionen mitmachen und wie viele Leute aus Berlin zu einer geplanten Großdemonstration an diesem Samstag in Hannover zu erwarten seien, die will man im „Baobab“ dann doch lieber nicht in der Presse lesen. Denn das seien die falschen Kategorien, um die Proteste zu bewerten. Zudem sei es Basisbewegungen nun einmal eigen, selbst von ihren Initiatoren nur schwer vorhersehbar zu sein. Schließlich ist da noch die Angst, ein Zuviel an Information könnte das Spiel für die Polizei allzu leicht machen.

Oder könnte die Zurückhaltung der Expo-Gegner, über ihre Mobilisierungserfolge zu reden, daran liegen, dass es damit nicht weit her ist? Das jedenfalls meint der Verfassungsschutz: Die Informationsveranstaltungen stoßen seiner Auskunft nach bisher nur auf „geringes Interesse“. Und: „Trotz aller Bemühungen ist es bisher noch nicht gelungen, den Widerstand gegen die Expo zu verbreitern.“ Dennoch sei mit umso mehr „Aktionen militanter Kleingruppen“ zu rechnen, je näher die Eröffnung rücke.

Immerhin sollen schon über 100 Sicherheitsbeamte vom Schutzpolizisten bis zum Kripo-Fahnder von Berlin nach Hannover versetzt worden sein. Doch werden sie überhaupt etwas zu tun haben? Der stellvertretende Sicherheitsbeauftragte der Expo, Hermann Fraatz, meint, die Gegner der Ausstellung hätten ihr Ziel aufgegeben, die Show zu verhindern. Jetzt müsse man nur noch „Nadelstiche“ erwarten. Schon unkten Hannoveraner, die sich als revolutionär vorstellten, in der Jungle World, diese Woche drohe für die Bewegung „politisch ein Desaster“ zu werden: „Ein gesellschaftspolitisches Ziel“ finde sich „in keiner der bisher angekündigten Aktionen wieder“. Und: „Wir sind an unserer Kraftlosigkeit gescheitert.“

Sicherheitsfachleuten gibt aber zu denken, wie anfällig die Expo für Störaktionen sein wird. So soll auf dem Expo-Bahnhof Messe/Laatzen alle drei Minuten ein Zug ankommen. Und so heftige Proteste wie in Seattle hatte vor ihrem Ausbruch auch niemand erwartet. PHILIPP GESSLER