Spanien trägt Weiß

Beim heutigen Champions-League-Finale spielen mit Real Madrid und dem FC Valencia erstmals zwei Teams aus einem Land gegeneinander

aus MadridREINER WANDLER

„Noch hat das Spiel nicht begonnen, und schon haben wir gewonnen“, jubelt einer der Sponsoren der spanischen Primera División in ganzseitigen Anzeigen. Die Sportkolumnisten tun es ihm nach. Egal für welchen Club das Herz den Rest des Jahres über schlägt, seit Tagen gibt es in Spanien nur ein Thema: das heutige Champions-League-Finale in Paris (20.45 Uhr, live bei tm3). Erstmals stehen sich mit den beiden spanischen Clubs FC Valencia und Real Madrid zwei Mannschaften aus dem gleichen Land gegenüber. Heute abend trägt Spanien Weiß, die Farbe beider Vereine.

Wäre es ein Ligaspiel, gäbe es keinen Zweifel: Der Favorit hieße Real Madrid. Doch in Europa herrschen andere Regeln. Nach einem Jahrzehnt Abwesenheit von Europas Rasen feierte der FC Valencia, eine der heimschwächsten Mannschaften der soeben zu Ende gegangenen Liga-Spielzeit, in der Champions League Triumphe. Galt der Club noch zu Beginn des Wettbewerbs als Futter für die Großen, sollte er sie schnell selbst verspeisen. Bayern München, Manchester United, Glasgow Rangers und AC Florenz hießen die Gegner, gegen die die Elf vom Mittelmeer in den Gruppenspielen bestand, um im Viertel- und Halbfinale dann Lazio Rom und FC Barcelona ins Unglück zu stürzen. „Der erste Pokal ist immer der beste. Wir sind bis hierher gekommen, jetzt können wir uns die Chance nicht entgehen lassen“, schwärmt der valencianische Kapitän Gaizka Mendieta. Er ist sicher, dass seine Mannschaft mit dem ersten Meisterpokal der Vereinsgeschichte aus Paris heimkehren wird.

Zu verdanken haben die Valencianer diesen Erfolg ausgerechnet dem Mann, den die Fans vor nicht einmal drei Monaten am liebsten noch von der Trainerbank verwiesen hätten, dem Argentinier Héctor Cúper. Der ewige Coach kleiner Clubs kam aus Mallorca in das Stadion Mestalla. Ohne riesiges Budget machte er aus dem, was er vorfand, eine kompakte Mannschaft. Sein Erfolgsgeheimnis: den Gegner angreifen lassen und schnell kontern. „Eine Mannschaft mit einem angsteinflößenden Mittelfeld und einem hervorragenden Kollektivgeist“, lobt denn auch der Madrider Trainer del Bosque den FC Valencia, „der würdigste Gegner, den wir haben können.“

Genau an diesem solidarischen Miteinander mangelt es bei Real Madrid schon seit Beginn der Saison. Die Elf, die heute Abend um ihren achten Europacup bei den Champions spielt, brachte es nie zu einer akzeptablen Durchschnittsleistung. Real Madrid schaffte es, zu Hause 1:5 gegen Zaragoza zu verlieren, um wenige Tage später Rosenborg Trondheim vom Platz zu putzen oder Traumfußball im Viertelfinale gegen Manchester zu zeigen. „Wir haben unser Ziel in der Liga nicht erreicht. Deshalb müssen wir uns an dieses Spiel klammern, als ginge es um unser Leben“, fordert Trainer Vicente del Bosque. Der Coach, der die Elf vor fünf Monaten aus den Händen des Walisers John Toshack übernahm, weiß, dass es um mehr als die letzte Chance auf einen Titel in dieser Saison geht. Anders als Valencia, ist Real Madrid nach dem blamablen 0:1 im letzten Match gegen Valladolid nicht für die Champions League qualifiziert. Verliert der Club heute Abend, geht es nächstes Jahr in den Uefa-Cup, einen Wettbewerb, der längst den Ruf der europäischen Außenseiterliga hat – viel Anstrengung für wenig Einkünfte. Und die hat Real Madrid mit seinem Schuldenberg bitter nötig. Eine Niederlage heute Abend würde den Club aus der Hauptstadt 35 Millionen Mark kosten und die Finanzplanung für die nächste Saison in Schwierigkeiten bringen. „Ein Sieg ist zur absoluten Pflicht geworden“, meint Clubchef Lorenzo Sanz.