„Nicht nur Spaß haben“

Auf Freiwilligkeit setzen? Mitnichten! Niedersachsens Innenminister Heiner Bartling (SPD) wünscht sich das soziale Pflichtjahr für alle – ganz allein

taz: Wenn es einen Konsens in der Zivildienstdiskussion gibt, heißt der: Kein soziales Pflichtjahr. Was macht den Zwang so attraktiv für Sie, Herr Bartling?

Heiner Bartling: Dieser Parteienkonsens resultiert nur daraus, dass man sich über die Konsequenzen der anderen Modelle nicht im Klaren ist. Ich frage mich: Können wir alle Leistungen dadurch erbringen, dass wir auf Freiwilligkeit setzen oder bezahlte Arbeitsplätze schaffen? Und ich sage: Das können wir nicht.

Warum? Werden sich denn nicht genug Freiwillige finden?

Genau das glaube ich. Auch wenn heute gesagt wird: Es gibt für das Soziale und Ökologische Jahr mehr Bedarf als Plätze. Ich bin überzeugt, dass das längst nicht ausreicht, um die Arbeit von 138.000 Zivildienstleistenden zu ersetzen.

Kann man die Jugend nicht mit Belohnungen zum freiwilligen Einsatz verlocken?

Damit kann man einen bestimmten Effekt erzielen. Aber der wird nicht groß genug sein. Außerdem kann jeder Freiwillige nach einem Vierteljahr sagen: „Passt mir nicht mehr!“ Sie können den dann nicht halten.

Hilfsbedürftige von Jugendlichen pflegen zu lassen, die darauf keinen Bock haben: Ist das keine Zumutung?

Quatsch. Die Zivis machen doch heute schon das, was ich vorschlage – und zwar, weil sie nicht zur Bundeswehr wollten. Der Zivildienst ist ja ein Pflichtdienst.

Freiwilligen-Experten nennen den sozialen Pflichtdienst einen Motivationskiller . . .

Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt sehr viele Zivis, die sagen: Ich habe eine Erfahrung gemacht, die hätte ich verpasst, wenn ich nicht gezwungen worden wäre.

Soziales Glück gibt’s also nur mit Zwang?

Ich halte sehr viel davon, dass man einmal im Leben etwas macht, was man sich nicht ausgesucht hat. Dass man nicht im Sinne der Spaßgesellschaft nur das tut, was einem Spaß macht. In unserer Wettbewerbsgesellschaft kann es sich die Masse der Leute auch gar nicht leisten, so ein freiwilliges Jahr zu machen. Dass der Arbeitgeber fragt: Haben Sie ein soziales Jahr gemacht, dann stellen wir sie ein? So weit ist die Gesellschaft nicht, und soweit kommt sie auch nie.

Wäre der allgemeine Pflichtdienst nicht ein Schritt zur Gleichberechtigung von Mann und Frau?

Das dürfte ich gegenüber sozialdemokratischen Frauen nicht sagen. Die würden mich verprügeln. Es gibt aber eine Reihe junger Frauen, die das so wie ich sehen. Etwa die Tochter eines Ministerkollegen, der gar nichts von diesem Pflichtjahr hält.

Haben Sie denn selbst auch mal ein Jahr etwas für die Gemeinschaft gemacht, was Sie nicht tun wollten?

Ich bin drei Jahre Soldat gewesen.

Interview: ASTRID GEISLER