Das Grauen

Das Incredible Celluloid-Festival zeigt Science-Fiction-Klassiker der Exploitation-Ära  ■ Von Tobias Nagl

Aficionados läuft das Wasser schon im Mund zusammen, wenn sie nur die Namen von Produktionsgesellschaften wie American International Pictures oder New World hören. Als Reaktion auf die veränderte Infrastruktur Hollywoods in den 50er und 60er Jahren gegründet, versuchten diese B-Film-Manufakturen, ein vorwiegend jugendliches Vorstadt-Publikum von den Fernsehern weg wieder in die Kinos zu ziehen, indem sie die Schraube des Schocks einige Drehungen weiter anzogen: Sex, Gewalt oder jugendliche Delinquenz, am besten aber alle drei, waren die Elemente, mit denen Mini-Mogule wie Samuel Z. Arkoff oder Roger Corman die Kassen klingeln lassen wollten.

Diesem ganz anderen Kanon der Filmgeschichte haben sich mit viel Liebe und Fan-Wissen die Macher des „Incredible Celluloid Festival“ verschrieben. Nichts ist ihnen zu abseitig, kein Special-F/X-Desig-ner zu unbedeutend, keine deutsche Synchron-Fassung zu deppert, um nicht mit allen Fußnoten erfasst zu werden. Nach den Schwerpunkten Lucio Fulci, Vampirismus und dem Werk des Schauspieler-Regisseur-Duos Joe Spinell/William Lustig widmet sich das Festival heuer dem Science-Fiction-Genre. Und unfassbar ist es tatsächlich, was da an verstaubten Perlen ausgegraben wurde. Selbst wer die Corman-Produktion im „Welcome to Violence“-Programm des Metropolis gesehen hat, wird sich wundern, dass und wie dieser king of the Bs noch in den frühen 80er Jahren hurtig auf die von Star Wars und Alien losgetretene SciFi-Welle aufsprang.

Gleich zwei äußerst rare Produktionen dieser Corman-Spätphase sind im Programm enthalten: Planet des Schreckens/Galaxy of Terror von 1981 und Mutant – das Grauen im All/Forbidden World aus dem darauffolgendem Jahr. An beiden lässt sich selten gut das ökonomische Kalkül des B-Films ablesen, genauso aber die visuelle Stilisierung des Filmbildes, die das Genre vor allem anderen auszeichnet und die Corman am historischen Ende des B-Films als Kino-Genre noch einmal in den kompletten Manierismus trieb.

Zum Teil mit identischen Sets gedreht, präsentieren sich beide als freche Rip-Offs von Ridley Scotts Alien. Wo der aber H.R.Giger für die Dekoration anheuerte, müssen da bunte Eierkartons und blinkende Lämpchen reichen. Ungeheuer schön anzuschauen sind sie dennoch: wilde Disco-Fantasien aus silbernen Moonboots, durchsichtigen Plastik-Sandalen, Atari-Animationen und Luke-Skywalker-Frisuren, deren Synthie-Soundtracks geradewegs von Air stammen könnten.

Wo der ursprüngliche Alien-Stoff einen großen Teil seiner Faszinationskraft einer sexuellen Ambiguität verdankt, scheinen Cormans Varianten darauf zu beharren, Exploitation unbedingt mit großem S zu schreiben. Statt kosmischer Geburtskanäle oder Bauchhöhlenschwangerschaften gibt es in Planet des Schreckens die Vergewaltigung einer komplett nackten, eingeölten Astronautin durch einen gigantischen Mehlwurm zu sehen. Und zwar hysterische zehn Minuten lang. Auch das eine Art, der Angst vor dem monstrous feminine, die die australische Filmwissenschaftlerin Barbara Creed im Alien-Zyklus am Werk sah, Herr zu werden. Fans dürfte hingegen interessieren, dass James Cameron, der fünf Jahre später den Alien-Stoff als Kriegsfilm fortschrieb, hier Erfahrungen als Setdesigner und Second-Unit-Regisseur sammelte. Auch Freunde Sid Haigs (Coffy, Foxy Brown), der fiesesten Filmglatze seit Erich von Stroheim, dürften zufrieden sein: In einer wirklich ekligen Szene amputiert er sich selbst.

Dass es ohne Sex bei dieser Art von Kino nicht ging, führt einmal mehr die aberwitzige Flash Gordon-Soft-Porno-Parodie Flesh Gordon von 1974 vor. Formal an der Erzählstruktur des 30er-Jahre-Serials orientiert, begegnet uns hier die Liberalisierung der 70er Jahre von der ganz unterirdischen Seite: Zarkoff heißt Jerk-Off, ein Penisaurus tritt auf, und die Waldmänner sind natürlich schwul.

Ernster gehen es die AIP-Produktion Der Planet Saturn lässt schön grüßen/The Incredible Melting Man (1977) und der spanische Tödliche Befehle aus dem All/Quien Puede Matar Un Nino? die Sache an. Eher dem Horrorfilm zuzuschlagen, varieren sie beide ganz klassische Motive: Tödliche Befehle effektvoll den atmosphärischen Kinder-Horror von Village of the Damned, Planet Saturn das des tragische Shelley'schen Monsters.

Ein echtes Schmankerl selbst für ausgewiesene Kenner des japanischen Monster-Films und seiner Märklin-Kulissen kommt mit Roboter der Sterne/Supa Robot Maha Baron (1974/5) auf die Leinwand. Selten war der Autor dermaßen fassungslos – und glücklich – ob der Möglichkeiten des Kinos, an denen jede Filmkritik notgedrungen scheitern muss.

Fr, 26. Mai: Tödliche Befehle aus dem All; Mutan, das Grauen im All; Flesh Gordon; Sa, 27. Mai: Planet des Schreckens, Der Planet Saturn lässt schön grüßen, Roboter der Sterne; Beginn der Triple-Features: jeweils 20.30 Uhr; Magazin