Jaulen, als wäre man ein getretener Köter

■ Der Ausfall als Glücksfall: Keith Caputo durchlitt seinen feinen akustischen Songwriter-Pop in der Markthalle

Zumindest wer Keith Caputo als Support zu Travis im März gesehen hatte, schaute ein wenig verwundert auf den Bühnenaufbau. Kein Schlagzeug, kaum Verstärker. Dafür zwei Barhocker. „Die Mutter meines Drummers liegt seit dem Wochenende im Krankenhaus. Um den Gig nicht abzusagen, haben wir beschlossen, zu zweit aufzutreten“, erklärt er. „Wir waren sehr nervös, da wir nicht proben konnten.“

Das ist ihm nicht so recht anzumerken. Zu breit steht dem Wahl-Holländer das Grinsen dafür im Gesicht. In Amsterdam wohnt er inzwischen, nachdem er sich von Life of Agony trennte. Und kämpfte über ein Jahr an der Veröffentlichung seines Soloalbums Died Laughing. Zu wenig Metal beklagte die Plattenfirma.

Und da sitzen sie nun, ganz stilecht auf den Hockern und bitten nach drei Songs das Publikum, auf der Bühne Platz zu nehmen. Die Jünger scharen sich um ihn, wippen mit bei seinen kleinen Popsongs wie New York City, der neuen Single. Oder ziehen andächtig an Rauchwerk, während Keith wie ein getretener Köter zerbrochener Liebe hinterher jault. Songwriting ist nur traurig schön. Zu Let's Pretend stimmen alte Life of Agony-Fans ein. Ganz in Vergessenheit geraten sind die alten Tage also nicht. „Ich würde gerne wieder ein Album mit ihnen machen. Doch möchte ich vor allem ungebunden sein. Und das ist wohl unvereinbar.“ Neue Songs existieren bereits, einen davon stellt er vor. Standesgemäß werden die Doors gecovert und Kurt Cobain betrauert.

Insgesamt war der Ausfall seiner Band eher ein Glücksfall. Akus-tisch funktionieren seine Pop-Perlen offensichtlich besser. Phänomenal schallt sein Organ, wenn er an der Gitarre leidet. Und lässt die leicht glatten Passagen des Album vergessen. Für Nicht-Fans hatte das Konzert sicherlich Längen, aber die versammelte Gemeinde erlebte einen großen Auftritt.

Volker Peschel