Rolf Joseph (79) konnte seinen Vater, einen Frontkämpfer des Weltkriegs, nicht überzeugen, zu fliehen. Er musste zusehen, wie seine Eltern abgeholt wurden, und tauchte bei einer Lumpensammlerin unter. Später wurde er von der Gestapo gefoltert. Zweimal konnte er seinen Verfolgern entfliehen – durch Sprünge aus einem fahrenden Zug und aus dem 2. Stock einer Klinik.

Am Morgen nach der Pogromnacht vom 9. November 1938 war für Rolf Joseph alles klar: Nichts wie raus aus Deutschland. Aber seinen Vater, der im Ersten Weltkrieg für das Reich an der Front dreimal verwundet worden war und das Eiserne Kreuz erhalten hatte, war dagegen: Sein Vaterland würde ihm doch nichts antun. So musste Rolf erleben, wie seine Eltern abgeholt wurden, nur zufällig war nicht auch er zu Hause – er hat sie nie wieder gesehen. Seine Eltern hatte je acht Geschwister. Keiner von ihnen hat den Holocaust überlebt.

Nur er. Rolf Joseph floh zu einer Lumpensammlerin, die Juden in einer Kellerwohnung versteckt hielt. Irgendwann erwischte ihn die Gestapo, folterte ihn mit 50 Peitschenhieben, aber er verriet das Versteck nicht. Auf dem Transport nach Auschwitz, zuerst in einem Möbelwagen, fand er eine Zange und konnte sich und andere später aus einem Zug nach Osten befreien.

Doch bald waren alle wieder gefasst. Rolf Joseph kratzte sich den ganzen Körper auf und gab an, Scharlach zu haben. So wurde er ins Jüdische Krankenhaus gebracht, wo er in letzter Minute vor der erneuten Deportation entkam – durch einen beherzten Sprung aus dem 2. Stock. Dabei brach er sich fast das Rückgrat, aber er wurde nicht geschnappt. „Geist und Kraft“ brauchte man nicht zum Überleben, sagt er, nur Glück.

Sein Rückgrat ist wieder verheilt, aber noch heute hat er Gleichgewichtsstörungen wegen der Schläge auf den Kopf, die er erhalten hatte. Über ihn und zwölf andere in Berlin versteckte Juden – unter ihnen der Quizmaster Hans Rosenthal – wurde 1989 eine Dokumentation gedreht. Nur drei von ihnen leben noch. Bald werde niemand mehr ihre Geschichten erzählen können, sagt Rolf Joseph. „Wir sind die Letzten“, murmelt der 79-Jährige noch und macht eine wegwerfende Handbewegung.