Hilfe für die „U-Boote“

Nach neuen Forschungen überlebten wahrscheinlich 1.500 Juden die Nazizeit versteckt in der Hauptstadt. Vier dieser „U-Boote“, die auch heute noch in Berlin leben, erzählen ihre Geschichte

Texte PHILIPP GESSLER
Fotos WOLFGANG BORRS

Es gibt viele Geschichten. Doch noch kein Historiker hat die ganze Geschichte erzählt. Klar ist bloß: In keiner anderen Stadt wurden so viele Juden vor den Nazi-Mördern versteckt wie in Berlin – wahrscheinlich etwa 1.500 Männer und Frauen, Kinder und Greise.

Das ist nicht verwunderlich, sagt Beate Kosmala, die im Forschungsprojekt „Rettung von Juden im nationalsozialistischen Deutschland 1933–1945“ am Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin arbeitet. Denn nirgendwo in Deutschland lebten vor der NS-Zeit so viele Juden wie in der Hauptstadt, es waren etwa 160.000.

Trotz einer sich immer weiter verschärfenden Verfolgung waren im Juni 1941 immer noch über 73.000 Juden in der Stadt, die meisten in allergrößter Not. Zu dieser Zeit wurde für „Arier“ die Hilfe für Juden de facto zu einer „strafbaren Handlung“, wie die Historikerin auf einem Zeitzeugen-Gespräch im Centrum Judaicum, untergebracht in der Neuen Synagoge in Mitte, feststellte.

Dennoch gab es Tausende, die den Versteckten – „U-Boote“ genannt – halfen. Im Schnitt kamen auf jeden Juden mindestens sieben Helfer. Allerdings mit unterschiedlichen Motiven, altruistischen und weniger ehrenhaften. Manche versteckte Juden wurden von ihren Rettern mehr oder weniger ausgebeutet, so Kosmala, einige, wenn auch wenige, sogar sexuell ausgenutzt.

Die Geretteten können manche Heldengeschichten von ihren Helfern erzählen, aber auch vieles, was das Lied von den „unbesungenen Helden“ stört. Immerhin, so die Historikerin, sei schon bei ihren Forschungen deutlich geworden, dass Hilfe für die verfolgten Juden möglich war: Es gibt kein einziges Todesurteil, das wegen eines solchen Delikts verhängt worden wäre. Man konnte also etwas tun. Kein „arischer“ Deutscher musste um sein Leben fürchten, wenn er Mitmenschlichkeit bewies.