pampuchs tagebuch
: Unterhaching für Außerbayerische

Aus gegebenem Anlass widmen wir uns heute einem Phänomen, das letztes Wochenende Deutschland in Atem hielt. Es handelt sich um das „Wunder von München“, was schon deshalb ein zutreffender Name ist, weil Wunder nichts mit Sinn oder gar Gerechtigkeit zu tun haben, sondern einzig als „Offenbarungen göttlicher Macht und göttlichen Handels“ gelten. Vom Gotte aus gesehen sind Offenbarungswunder immer irgendwie selbstreferenziell. Wer sich durch ein Wunder zu offenbaren vermag, wird zum Gott. „Jancker, Jancker, Fußballgott!“ heißt die entsprechende neubayerische Liturgie. „Die Münchner im Himmel“ titelt die einheimische Presse. Und hat damit nicht so Unrecht, wo doch München urbi et suburbi jetzt 3 Vereine unter den ersten 10 hat, 2 davon gar in der Champions League. Natürlich ist das nicht gerecht. Die Seligsprechung der „Spvgg. Wunderhaching“ steht trotzdem an.

Als Schwabinger, der nahe der Leopoldstraße wohnt, bekomme ich – ob ich will oder nicht – sämtliche Höhepunkte des lokalen und internationalen Fußballs in ihren festlichen Auswirkungen seit Jahr und Tag live mit. Es hat sich nämlich eingebürgert, dass die Meile zwischen Münchner Freiheit und Siegestor ganz selbstverständlich zum Aufmarschgebiet jubelnder Fans wird, wenn es denn etwas zu bejubeln gibt. In der vergangene Woche gab es das immerhin zweimal. Am Mittwoch feierte die türkische Community ausgiebig Galatasarays Uefa-Cup-Gewinn, und Samstag waren dann die Jünger Janckers dran. Nicht dass mir das was ausmacht. Ich gestehe sogar, dass ich vor Jahren mal mit ein paar FreundInnen mit dem selbst geschaffenen, ergötzlichen Rhythmusgesang „Kuntz, Struntz, Babbelbabbel – Oliver Biiiierhoff“ ein Golden Goal meilauf, meilab besungen habe. Und selbst wenn – wie erinnerlich – die Brasilianer nur Vizeweltmeister werden, geht es auf unserem Boulevard immer noch ein bisserl zu wie an der Copacabana.

Dank dem Internet besteht für die außerbayrische Welt inzwischen die Möglichkeit, wenigstens als Jubeluser an dieser neu entwickelten Form der bayerischen Maiandacht ein bisschen teilzuhaben. Natürlich kann das Netz die „Anzeige der souveränen Macht der Fußballgötter“ nebst den sich daran anschließenden Huldigungen nur unvollständig wiedergeben. Doch immerhin erlaubt das Web, sich zumindest virtuell in die Gemeinde der Gebenedeiten einzuklicken. Dazu hier ein kurze Surfanleitung. (Ein Weißbier neben der Maus kann den Offenbarungskoeffizienten übrigens sehr erhöhen.)

Zur Einstimmung wählen wir die Adresse www.bayern.de, was uns direkt mit der Bayerischen Staatskanzlei verbindet. Dort klicken wir die Rubrik „Schmankerl“ an und können dann sogleich die weißblaue Fahne wehen lassen – wahlweise als Java Applet oder als GIF 89a-Animation. Hiernach wählen wir www.fcbayern.de, „the official website“ und lassen unter Download mit RealPlayer 20 Sekunden das Lied „FC Bayern, Stern des Südens“ anklingen, um zu erfahren, dass der Verein „niemals untergehen“ wird. Unter www.spvggunterhaching.de holen wir uns sodann ein krachiges „Servus aus Unterhaching!“ ab mit der Mitteilung: „Noch müssen wir improvisieren, aber bald sind wir mit unser offiziellen Vereinsseite auch im Internet für euch da.“ Haching im Netz, das klingt wie Drohung und Verheißung zugleich.

Zum Abschluss aber und gewissermaßen als Chill-out stoßen wir ganz tief in die Münchner Seele: Unter www.tsv1860.de stellen wir fest, dass es den Lokalrivalen gelingt, eine umfangreiche Website zu gestalten, ohne auch nur eine Andeutung darüber zu machen, dass Bayern Meister geworden ist. Die Löwen feiern lieber ihren Lieblings-Berliner: „Icke doch zur EM!“ Wundervolles, wundersames München. THOMAS PAMPUCH

thopampuch@aol.com