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: Die Arroganz der Menschenrechtler

Es ist ein Beispiel für die Arroganz und Selbstbezogenheit der demokratischen Linken des Westens, dass im Washingtoner Kongress die Stimmen des Großkapitals benötigt wurden, um das Entwicklungsland China in die Welthandelsorganisation zu bringen. Genauso hätte der Bundestag abgestimmt, wenn er dazu aufgerufen gewesen wäre: Grüne und linke SPDler hätten mit ein paar Moralaposteln in der CDU dem größten Volk der Welt den Fortschritt verweigert – mit der fadenscheinigen Begründung chinesischer Menschenrechtsverletzungen. Die neue Mitte aber hätte unter dem Ansturm der Industrielobby wohl auch hierzulande für China gestimmt und sich am Ende Applaus verdient.

 Warum sträubt sich die westliche Linke derart gegen die Öffnung Chinas zur Welt? Lastet die von amnesty international vorgelegte Liste, die China jedes Jahr die weltweit höchste Zahl von Todesstrafen bescheinigt, wirklich so sehr auf ihrem Gewissen? Weint man echte Tränen um die Anhänger der rassistischen und abergläubischen Falun-Gong-Sekte, die in diesen Tagen von der chinesischen Staatssicherheit verfolgt und gefoltert werden?

 Und warum loben immer nur die Sprecher des Kapitals den Fortschritt der chinesischen Wirtschaftsreformem? Ist schon vergessen, dass die Reformen einst mit der Verteilung der Böden an die Bedürftigen begannen und 200 Millionen vom Hunger erlösten? Es scheint doch, dass die Vorgänge in der Volksrepublik zu komplex sind, als dass sich eine Linke, der der Gedanke an die Weltgesellschaft nicht fremd geworden ist, in der China-Frage so leicht festlegen könnte, wie es die meisten Grünen in Berlin und Demokraten in Washington heute tun.

 So liegt der Verdacht nahe, dass es dieser Linken gar nicht um China geht. Ihr scheint egal, ob jeder siebte Weltbürger, der ein armer chinesischer Landbewohner ist, mit der Globalisierung gewinnt oder verliert. Denn eine Diskussion, die auf die Frage nach dem gerechten Anteil Chinas an der Weltwirtschaft hinausläuft, will niemand führen. Sie könnte ja zu dem Schluss kommen, dass unser Wohlstand gefährdet ist. Statt für die eine Milliarde armer Bauern in China setzt man sich also viel lieber für die jährlich etwa 1.500 Opfer der Todesstrafe in China ein. Das ist überschaubarer – und, das sei hier nicht bestritten, natürlich auch richtig und lobenswert. Aber es ersetzt weder eine westliche China-Politik noch die Verantwortung, welche die westliche Linke für ein so großes Dritte-Welt-Land wie China empfinden sollte. Das traurige Ergebnis des moralischen Höhenflugs ist nämlich, dass es für die Volksrepublik im Westen nur das Kapital zum Freund gibt, und das wird zur Entwicklung des Landes nicht reichen. GEORG BLUME