Jein und Amen

Erstmals Katholischer Kirchentag in Hamburg: Der Protest ist leise. Während die Jungen sich noch engagieren, haben andere im norddeutschen Erzbistum die Hoffnung schon aufgegeben  ■ Von Peter Ahrens

Christoph Müller ist ein Gesprächskiller. Wenn er auf einer Fete erzählt, wo er sich in seiner Freizeit engagiert, dann fallen die Klappen. „Die Leute gucken mich mit großen Augen an und denken: Dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.“ Dann fängt er an, zu erklären: Dass er auch nicht mit allem einverstanden sei, was der Papst sagt. Dass es einen „Pluralismus der Meinungen“ gibt, dass man nicht „zu allem aus der Amtskirche Ja und Amen sagt“. Amen ist ein gutes Stichwort: Müller ist 26 und gläubiger Katholik, genau gesagt Vorstandsmitglied im Bund der Deutschen Katholischen Jugend BDKJ im Erzbistum Hamburg. Einer von 175.000 KatholikInnen in der Stadt. Durch den Katholikentag in der kommenden Woche rückt das katholische Aschenputtel Hamburg für vier Tage bundesweit in den Mittelpunkt.

Katholisch sein – das tritt Assoziationen los: Devot, weltabgewandt, frauenfeindlich, altbacken, konservativ, obrigkeitshörig, alte verdorrte Männer in langen Kleidern, die bestimmen wollen, wie man Sexualität lebt – Auslaufmodell, von gestern. Da machen noch junge Leute mit? Timo Kotowski macht mit – und wehrt sich dagegen, „das Etikett Katholik aufgedrückt zu bekommen und in der Schublade zu landen“. Doch die „üblichen Vorurteile“, die man dem Katholizismus anhängt, ließen sich bei vielen Leuten erst auflösen, „wenn man im Gespräch ins Detail geht“.

Kotowski hat die klassische Karriere durchlaufen: Kindergruppe, Messdiener, Pfarreiarbeit, Jugendgruppe. Jetzt ist er 21 und Diözesanvorsitzender des BDKJ. Einer, der sagt: „Man kann auch katholische Jugendarbeit machen, ohne an Gott zu glauben.“ Er selbst nennt sich gläubig, findet aber, dass die Betonung katholischer Jugendarbeit auf dem J und nicht auf dem K liegen sollte.

Jugendarbeit wie jede andere auch? Müller ist dagegen. „Wir müssen unser katholisches Profil schärfen“, sagt er. Er findet es auch richtig, dass Katholiken und Evangelische beim Kirchentag kein gemeinsames Abendmahl feiern. Ökumene schön und gut, aber die „theologischen Differenzen“ seien nun einmal vorhanden. „Nur weil die Unterschiede zwischen den christlichen Kirchen nicht mehr wahrgenommen werden, sollte man sich nicht darüber hinwegsetzen.“ Dass diese Unterschiede jungen Menschen „schwer vermittelbar“ seien, sehe er allerdings auch.

„Einseitig dargestellt“ fühlen sie sich als Katholiken in den Medien, klagen Kotowski und Müller. „Der Papst hält eine mehrstündige Rede und gezeigt wird nur die Passage, in der er zur Abtreibung Stellung nimmt.“ Dabei habe Johannes Paul doch auch Kritisches zum Kapitalismus gesagt, zur sozialen Verantwortung der Kirche in Lateinamerika und Afrika – das falle meistens unter den Tisch. Zum Katholikentag machen sie eine eigene Zeitung, die die kirchlichen Aktivitäten ins Licht rücken soll. Partner: Die BILD-„Zeitung“.

In der Jugendarbeit „holen wir uns nicht erst das Placet des Erzbischofs, bevor wir uns zu Wort melden“, sagt Müller. Amtskirchliche Entscheidungen zu kritisieren, sei auch nötig, „um anschließend zu Kompromissen zu kommen“. Junge Kirchen-Rebellen? So nun auch wieder nicht. Den Entscheid der Bischöfe zum Schwangerschaftsabbruch finden die jungen Katholiken zwar „unglücklich und falsch“, aber echter Widerstand kam auch vom BDKJ nicht – hier setzt man auf das Notlösungsmodell Donum Vitae, den katholischen Laienverein, der sich jetzt um Schwangerenberatung kümmern soll. Bei Zölibat und Frauenpriestertum hat man einen anderen Standpunkt als die Amtskirche, doch alles wird behutsam und leise geäußert, geduldet von der Amtskirche, aber nur wenig ernst genommen.

Als politisch denkend versteht sich der BDKJ, aber zur Frage der Abschiebungen in der Stadt hat man noch keine offizielle Meinung. „Es wäre schon Aufgabe, uns auch hier zu positionieren, aber uns wurde der Katholikentag ja auch aufgedrückt, und da ist die politische Arbeit einfach zu kurz gekommen“, sagte Kotowski. Zudem muss die Jugendarbeit mit immer weniger Geld vom Erzbistum klarkommen. „Man muss sich im Bistum irgendwann klar machen, wo man Prioritäten setzen will: Will man lieber prunkvolle Kirchen oder das Geld doch in Alten- oder Jugendarbeit stecken?“ Bislang herrsche das „Rasenmäher-Prinzip“: Überall wird gekürzt.

Dass beim diesjährigen Katholikentag die traditionellen Protestformen „Kirchentag von unten“ und Kirchenvolksbegehren ins offizielle Programm integriert werden, ist für die Katholische Jugend nicht überraschend: „Der revolutionäre Charakter dort ist auch weg, da ist die Luft raus“, sagt Müller. Es sei zwar „schon ernüchternd, wenn einem klar ist, dass sich in den nächs-ten Jahrzehnten in der Kirche in manchen Fragen nichts ändern wird“, aber „wenn man nicht mehr darauf hoffen könnte, erntete man ja nur noch Frustration“.

Die Hoffnung hat Hans-Hermann Mack längst aufgegeben. Der ehemals in der Laienarbeit engagierte Katholik hat lange in der Katholischen Studentengemeinde KSG mitgewirkt und die Romero-Tage auf die Füße gebracht. Irgendwann hat er seine Mitarbeit im Erzbistum eingestellt und sagt heute: „Jugendarbeit ist weitgehend wegrationalisiert, innerkirchlich bewegt sich gar nichts. Dieses Erzbistum ist extrem konservativ.“

Mack hat sich mit der Amtskirche angelegt, wirft Erzbischof Ludwig Averkamp und Weihbischof Hans-Jochen Jaschke vor, „kritisches Potenzial im Bistum mundtot zu machen“ und sagt: „In dieser Kirche ändert sich nichts mehr.“ Im Bistum gilt er als Nestbeschmutzer und Querulant. Mack selbst ist sicher: „Weil die Katholiken in dieser Stadt ohnehin in der Minderheit sind, haben sie eine Mentalität nach dem Motto entwickelt: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.“

Zweifel, dass der Katholikentag dem Bistum frischen Wind verleiht, haben auch die Jungen, die noch hoffen. „Ich glaube, in vielen Gemeinden im Bistum ist noch nicht einmal bekannt, dass wir diese Veranstaltung in Hamburg haben“, kritisiert Müller. Die Verankerung der Gemeinden in die Veranstaltung sei „mangelhaft“.