RUSSLAND WILL WELTWEITEN ATOMMÜLL EINLAGERN
: Allseitige Profitgier

Russland will aus seiner Energiekrise raus: Dafür sollen 23 neue Atomreaktoren gebaut, alte aufgerüstet und Atommüll jedweder Art aufgenommen werden. Putins Regierung hat dieses Konzept seines Ministeriums gestern grundsätzlich akzeptiert. Europa schweigt. Letzteres ist der Skandal, weniger die russischen Pläne.

Die russischen Absichten sind nicht neu, über die Idee des Müllimportes wird dort seit längerem geredet. Gleichzeitig ist im Westen bekannt, dass die Bevölkerung der russischen Atomzentren mit riesigen Problemen beim Müll wie auch der Energieversorgung zu kämpfen hat. Das interessiert die russische Atomwirtschaft offenbar wenig; die interessiert mehr, dass der Westen seinen Müll loswerden muss und Westfirmen nach Aufträgen gieren, die sie in ihren Ländern nicht mehr bekommen.

In Länder, wo ganze Landstriche und Gewässer radioaktiv verseucht sind, schickt man keinen Atommüll. Man baut ihnen auch keine neuen Reaktoren oder finanziert Exporte namhafter Firmen mit Bürgschaften. Angesichts des russischen Slogans „Was lange hält, ist auch gut“ ist selbst der Export lebensverlängernder Sicherheitstechnik fragwürdig. Man verschiebt Probleme wie Atommüll nicht einfach in andere Länder.

Auf das aktuelle Konzept wären die Russen nicht gekommen, wenn die Signale aus dem Westen eindeutig gewesen wären. Wenn atomkritische EU-Regierungen gesagt hätten: Unser Atommüll bleibt hier. Oder sagen würden: Wir steigen aus der Atomkraft aus; also helfen wir euch gerne mit Energiesparprogrammen, mit Ideen, aber nicht bei einer Ausweitung der Atomkraft. Davon wurde in den langen Wochen, in denen immer mal wieder die Rede von der russischen Atomkraftpolitik war, nie gesprochen.

Nächste Woche findet in Moskau ein EU-Russland-Gipfel statt, in dem besonders Wirtschaftsfragen besprochen werden sollen – und laut EU-Präsident Romano Prodi die atomare Sicherheit alter, stillzulegender AKWs. Angesichts des unverhohlenen Angebotes aus Russland an den Westen sollten die Besucher deutlich signalisieren, dass sie diese Politik nicht mitmachen und dass es energiepolitische Alternativen gibt. MAIKE RADEMAKER