Schrebergärtner goes West

Warum der FC Energie Cottbus nach einem 2:0-Erfolg über den 1. FC Köln in die Erste Fußballbundesliga aufgestiegen ist und wie man die Reisen über die „Grenze“ überstehen will

von MARKUS VÖLKER

Es war ein Satz, passager dahingebrabbelt vom Präsidenten des Cottbuser Fußballklubs, Dieter Krein. „Wer schert sich denn drum“, sagte er, „wenn wir uns in die Einöde nach Köln begeben müssen und linksseitig der Grenze fahren müssen.“

Die Grenze? Seit dem Jahr 1990 nach Christus steht zwischen deutschen Staaten keine Mauer mehr. Das dürfte auch Krein wissen. Doch in Cottbus schleicht sich der Geist der Vergangenheit noch hier und da in eine Unterhaltung ein und führt ein prosperierendes Eigenleben. Manchmal kann das witzig sein. Meistens ist es das nicht.

Da, wo man sich auf das Einlegen von Gurken versteht und jahrzehntelang in der Erde nach Kohle gewühlt hat, vor allem da muss man sich zwanghaft geografisch verorten, weil die regionale Zugehörigkeit, der ostdeutsche Schrebergarten so viel Selbstbewusstsein, Heimeligkeit und Identität spendet. Da fühlt man sich wohl. Und die virtuellen Schlagbäume werden in Cottbus unweit der polnischen Grenze gepflegt wie das Vergissmeinnicht im Vorgärtchen.

Kultivierung des Ostigen

Das hat seine Gründe. Cottbus ist dem Ostblock näher als dem Westen. So markerschütternd viel wie in den Großstädten, in Leipzig, Berlin oder Dresden, hat sich für die Lausitzer nicht geändert. Zweifellos, die Marktwirtschaft hat viele arbeitslos gemacht. Über 20 Prozent der Erwachsenen schauen regelmäßig beim Arbeitsamt vorbei. Das hat die Cottbuser aber nur darin bestärkt, das Ostige zu kultivieren und jenseits der Umzäunung ihres kleinen Claims den schwarzen Mann, vulgo: Wessi, auszumachen.

Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte der FC Energie den Aufstieg verpasst, womöglich unter dubiosem Zutun des Schiedsrichters. Jüngst erst fühlte sich der Manager des Chemnitzer FC, Siegmar Menz, von westlichen Mächten bedrängt, als sein Verein im Abstiegskampf böse benachteiligt worden sei. Sicher: Auch der Paranoiker hat Feinde, aber nicht ganz so viele, wie er zu haben wähnt.

Attraktivitätseinbußen

Im Internet-Chat auf der offiziellen Homepage der Cottbuser findet sich eine Mail von Wolfgang Niersbach. Vom DFB-Pressechef. Natürlich ein Fake, aber ein sehr gutes. (Niersbach auf Anfrage der taz: „Es freut mich, dass sie den DFB in die Nähe der Seriosität rücken.“)

Im Internet schreibt der falsche Niersbach, die Fanproteste nach dem milden Schuldspruch gegen den Aachener Trainer Eugen Hach ließen die Vermutung zu, dass Energie neben den befürchteten Attraktivitätseinbußen zusätzlich noch erhebliche gesellschaftliche Niveauverluste im Oberhaus verursachen könnte. Und er, Pseudo-Niersbach, erahne, „dass trotz intensivster Bemühungen der Integration Klassenkampfmentalitäten im gesellschaftlichen Sinne immer noch nicht abgelegt wurden“. Er schließt mit dem Satz: „Die Bundesliga ist keinesfalls auf einen FCE angewiesen.“

Medien-Ballyhoo

Das sehen die Lausitzer natürlich anders. Krein kündigte nach dem Sieg über den 1. FC Köln und dem Aufstieg an, man werde sich nicht in die Waden beißen lassen, von niemanden, schon gar nicht von denen da drüben. So stolz die Vereinsführung auf das Erreichte ist, der Standortnachteil lässt sich nicht verleugnen, wohl aber mit landsmannschaftlichem Ballyhoo kompensieren.

Radio- und Fernsehanstalten aus Brandenburg übertrugen in Stundenblöcken von den Aufstiegsfeierlichkeiten. „Hey, Energie, wir sind da wie noch nie“, skandierten Tausende am Sonnabend vor dem Rathaus, in dem sich die Mannschaft nach dem Einzug ins Pokalfinale gegen den VfB Stuttgart (0:2) zum zweiten Mal eintrug. Trainer Eduard Geyer (55) war der Feierei schon müde, er wünschte sich bereits „Ruhe“.

Sein Team mit Spielern aus 13 verschiedenen Nationen, meist Kicker aus Osteuropa, aus Albanien, Rumänien, Polen, Ungarn oder Kroatien, hat er fest im Griff. Geyer wehrt sich zwar vehement gegen das Image als „harter Hund“, wenn er aber seine Stirn in Falten legt oder verkündet: „Muskelverhärtung hat es bei uns in der DDR nicht gegeben, also gibt’s das heute auch nicht“, dann ergibt sich ein konturenscharfes Bild.

Das Prinzip Geyer funktioniert nur in Cottbus. Anderswo würde er scheitern, obwohl er ein hervorragender Trainer ist. Ihm fehlt die grandiose Selbstironie eines Hans Meyer, die den in Mönchengladbach überleben lässt. Geyer braucht eine Umgebung, in der keine Witze über seinen sächselnden Slang gemacht werden und wo er nicht den Mann von Welt mimen muss. Ist das gewährleistet, laufen er und seine Schützlinge zu Hochform auf.

Mit 28 Millionen Mark will Cottbus in der Ersten Bundesliga planen. Ein paar neue Spieler müssen her. Ungarische und rumänische Kicker sind im Gespräch. Als Orientierungspunkt dient Unterhaching, die mit Heimstärke und Geschlossenheit ganz oben blieben.

Krein sagt: „Unser Motto ist Bescheidenheit.“ Von „windigen Vermarktern“ will man, wie gehabt, die Finger lassen. Die kommen nämlich aus dem Westen. Und der liegt linksseitig der Grenze.