Auge um Auge, Zahn um Zahn

Der Streit zwischen der „Süddeutschen Zeitung“ und dem „SZ-Magazin“ ist eskaliert

Auf zwei ganzen Seiten hat die Süddeutsche Zeitung am Samstag den Fall Tom Kummer „in eigener Sache“ dokumentiert – „so umfassend wie nötig, ohne falsche Rücksichtnahme, möglichst objektiv“, wie die Chefredaktion der SZ einleitend betont.

Nach Ansicht von Ulf Poschardt und Christian Kämmerling, Führungs-Duo des SZ-Magazins, ist die Dokumentation jedoch einseitig und parteiisch. Zitate seien „verdreht beziehungsweise unautorisiert abgedruckt“ worden, heißt es in einer von der dpa zitierten Erklärung vom Samstag. Darin werfen sie den SZ-Redakteuren ferner vor, ihrerseits unlauter gearbeitet zu haben: „Entlastende Zeugen wurden nicht befragt und entscheidende Zusammenhänge außer Acht gelassen.“

Alexander Gorkow, verantwortlich für die Medienseiten der SZ, nimmt seine beiden Autoren „gegen alle Vorwürfe in Schutz“. Die Recherche sei „in keinster Weise mit Sentimentalitäten oder falscher Leidenschaft betrieben worden“, erklärte Gorkow gestern gegenüber der taz: „Meine Autoren brauchen sich von Poschardt und Kämmerling nicht über vernünftige Recherche belehren zu lassen.“ Es sei im Gegenteil „höchste Zeit gewesen, etwas gegen die Vorwürfe zu unternehmen“.

Die delikate Frage, ob die SZ-Magazin-Macher die gefälschten Interviews von Tom Kummer wissentlich ins Heft gehoben haben, wird in der Dokumentation geflissentlich umschifft: „Was ist wahr, was ist nicht wahr, das war nicht die Frage“, erklärte darin Christian Kämmerling. Und Ulf Poschardt, lange Zeit mit Kummer befreundet und durchaus im Bilde über dessen flexiblen Realitätsbegriff, verteidigte den LA-Korrespondenten gegen erste Verdachtsmomente: Kummer arbeite mit sauberen Mitteln und besonders effizient.

Mit der kreativen Narrenfreiheit, die das unabhängig operierende SZ-Magazin bisher genossen hat, scheint es nun aber endgültig vorbei zu sein. Waren bisher nur Geschmacksfragen Gegenstand der Kritik, bemüht man sich bei der SZ nunmehr um Schadensbegrenzung. Für diese Woche ist eine weitere Gesellschafterversammlung anberaumt worden: personelle Entscheidungen fällt nur der Verlag. Und der hat sich kürzlich, zusätzlich zum defizitären SZ-Magazin, mit der religiösen Monatsbeilage Credo eine weitere teure Neuanschaffung geleistet – was einschneidende Entscheidungen zu Ungunsten des Magazins erleichtern könnte. ARNO FRANK