NORDIRLANDS REGIONALREGIERUNG IST WIEDER EINMAL GERETTET WORDEN
: Erstaunliche Regelmäßigkeit

Totgesagte leben länger: Der nordirische Friedensprozess ist mal wieder vor dem Scheitern bewahrt worden. Zur großen Erleichterung der Regierungen in London und Dublin stimmten die Unionisten am Samstag für den Vorschlag ihres Chefs David Trimble, erneut eine Regierung mit Beteiligung der IRA-Partei Sinn Féin zu bilden.

Doch das Ergebnis war knapper, als Trimble lieb sein kann: Die Zahl seiner Gegner ist in zwei Jahren von 28 auf 47 Prozent angewachsen. Trimbles Partei zerfällt in verschiedene Lager: die einen, die die katholische Bevölkerungsminderheit an der Macht beteiligen wollen; die anderen, die das unter allen Umständen verhindern wollen; und dazwischen diejenigen, die nicht festgelegt sind und letztendlich über die Parteilinie entscheiden. Bisher haben sie sich zum Schluss noch immer auf die Seite der Hardliner geschlagen, diese Erfahrung mussten Trimbles Vorgänger in den vergangenen 40 Jahren machen: Sie scheiterten allesamt mit ihren Reformversuchen und mussten zurücktreten.

Trimble ist bislang mit seinen Reformen durchgekommen, obwohl er viel weiter gegangen ist als seine Vorgänger. Er hat nicht nur den Erzfeind Sinn Féin in die Regierung aufgenommen, sondern betreibt auch die Abnabelung seiner Partei vom reaktionären Oranier-Orden. Nun hängt Trimbles politische Zukunft ausgerechnet vom Sinn-Féin-Präsidenten Gerry Adams ab. Adams hat die Einsicht, dass die Zeit für den bewaffneten Kampf vorbei ist, seiner Partei und der IRA vermitteln können. Nun muss er ihnen noch den letzten und schwersten Schritt verkaufen – die Entwaffnung der IRA, die ihrer Auflösung gleichkäme.

Mit erstaunlicher Regelmäßigkeit hat Adams in den vergangenen Jahren im Friedensprozess bestimmte Forderungen an seine Partei wortgewaltig zurückgewiesen, um sie nach einer Schamfrist als einzige Alternative zu akzeptieren. Die ideologische Wandlung Sinn Féins zu einer ganz normalen, nicht mal besonders progressiven Partei ist längst vollzogen. Doch eins hat Adams seinen Leuten immer wieder versprochen: Eine Ausmusterung der Waffen komme nie und nimmer in Frage. Nun dämmert es vielen IRA-Mitgliedern, dass sie jahrelang von Adams hinters Licht geführt worden sind. Eine Alternative haben sie freilich nicht mehr, eine Rückkehr zur Gewalt wäre aussichtslos, weil sie nicht die geringste Unterstützung der Bevölkerung hätte und von Polizei und Rest-IRA im Nu beendet würde. Aber zumindest könnte Trimbles Position dadurch unhaltbar werden und der Friedensprozess in seine größte Krise geraten. Das mag für einige verlockend sein. RALF SOTSCHECK